Jugend-Treffpunkt Hauptbahnhof: Polizei greift jetzt durch!
Immer wieder gibt's Ärger an den U-Bahn-Abgängen: Die Ordnungshüter reagieren mit Kontrollen und blauen Briefen an die Eltern der Minderjährigen. Die wiederum beteuern: "Wir tun doch nichts Verbotenes!"
NÜRNBERG Vor zehn Jahren gründeten die Nürnberger Polizei, die Justiz und die Stadt den „Sicherheitspakt Nürnberg“. Ziel: die Stellen zu vernetzen, um Verbrechen oder individuell gefühlten Unsicherheiten in der Stadt keinen Raum zu lassen. Gestern diskutierten die Sicherheitspartei CSU, die VAG, die Staatsanwaltschaft und die Polizei, wie die Zukunft des Paktes aussehen soll. Wie er bereits greift, erfahren jetzt die Jugendlichen, die sich jeden Tag im U-Bahnverteiler am Nürnberger Hauptbahnhof treffen. Sie tun im Grunde nichts Verbotenes. Trotzdem wirken sie in der Masse einschüchternd. Auch ist die Gefahr des Abgleitens in kriminelle Szenen groß. Deshalb greift die Polizei jetzt durch. Und setzt alles daran, es den Kids so ungemütlich wie möglich zu machen – was bei denen auf Protest stößt.
Munique zum Beispiel. Die 18-Jährige ist eine der 20 bis 60 jungen Menschen, die sich regelmäßig auf engstem Raum treffen – und manchem Reisenden Angst machen. Obwohl Munique nichts Kriminelles macht: Sie redet mit ihren Kumpels, raucht, trinkt ein Bier. Manchmal sind sie auch laut und übermütig. Dann jagen sich die Kids zwischen den Abgängen zur U1 oder U2. „Aber jedesmal schauen die Grünen vorbei, dann werde ich wieder kontrolliert“, beschwert sie sich. Die Kontrollen haben jedoch einen ernsten Hintergrund: Die Polizei will die ultimative Prävention.
Oberrat Peter Herold: „Auch wenn rechtlich nichts gegen die Treffen spricht, eignet sich der Bahnhof kaum.“ Denn die Nähe zu Obdachlosen, Prostituierte oder Drogenabhängigen könne den Boden bereiten, dass ein Jugendlicher abrutschen kann. Munique aber beteuert: „Mit denen haben wir doch gar nichts zu tun.“
Bei den Kontrollen stellte die Polizei 600 Personalien fest
Bei den Kontrollen kam die Polizei auf mehr als 600 Personalien. Wer von diesen 600 Kids unter 18 mehr als sechs Mal der Polizei gegenüberstand, dessen Eltern erhielten einen „blauen Brief“.
In dem steht, dass die Tochter oder der Sohn den Bahnhof als Szenetreff nutzt, wo es Anfang des Jahres zu einer „Vielzahl körperlicher Auseinandersetzungen untereinander gekommen sei, die nur durch Kontrollen minimiert werden konnten.“ Es wurde über Gefahren aufgeklärt. Die Jugendlichen sollen erkennen, dass der Treffpunkt nicht geeignet ist. „Wir wollten die Eltern mit in die Verantwortung ziehen.“
Aber die Kids sehen sich dadurch kriminalisiert. „Wir tun doch nichts. Wo sollen wir denn hin?“ Deshalb hat die Polizei die Adressen von Jugendräumen in Nürnberg beigelegt. Dass der Sozialdienst der Stadt eine Kopie des Schreibens erhält, sorgte auch polizeiintern für Diskussionen. Fühlen sich die Kids stigmatisiert, wenn das Jugendamt eingeschaltet wird? Sehen das die Eltern als Bevormundung? Die andere Seite ist: Der Sicherheitspakt funktioniert nur dann, wenn behördenübergreifend informiert wird.
18 Briefe wurden verschickt, mindestens ein Mädchen fing ihn vor den Eltern ab. Eine Reaktion gab es auf keinen Brief. Susanne Will