Inzest-Opfer: Vater drohte ihr mit dem Tod

Rund 500-mal soll sie von ihrem Vater vergewaltigt worden sein – der Rentner muss sich deswegen derzeit in Nürnberg vor Gericht verantworten. Aus Todesangst habe sie die Taten 30 Jahre lang verschweigen. Doch ihre Mutter habe von Anfang an davon gewusst.
Nürnberg – Aus Todesangst habe sie mehr als 30 Jahre lang geschwiegen, obwohl ihr Vater sie rund 500-mal vergewaltigt haben soll. Die 46 Jahre alte Tochter sagte laut Gerichtssprecher Thomas Koch am Dienstag im Nürnberger Inzestprozess, ihr heute 69-jähriger Vater habe sie immer wieder gewarnt, er bringe sie um, falls sie mit Dritten über den regelmäßigen Sex mit ihm spreche. Die Vergewaltigungen hätten zunächst im Haus der Familie im mittelfränkischen Willmersbach und später in ihrem Auto stattgefunden. Bei der Aussage der Frau vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth war die Öffentlichkeit ausgeschlossen.
Koch zitierte die 46-Jährige mit den Worten: „Wenn ich mit anderen darüber gesprochen hätte, wäre der Teufel los gewesen. Mein Vater hat gesagt: "Dann bringe ich Dich um. Egal, wo Du hingehst, ich finde Dich".“ Die Zeugin habe jedoch gefasst gewirkt. Nur einmal sei sie in Tränen ausgebrochen, als es um den Tod eines ihrer Kinder ging. Sie hatte insgesamt drei Söhne von ihrem Vater, zwei davon starben. „Das ist ihr wohl sehr nahe gegangen“, berichtete Koch. Der Gerichtssprecher, der als einziger Vertreter der Öffentlichkeit bei dem Prozess zugelassen war, informierte am Mittag Journalisten über die Kernpunkte ihrer Aussage.
Unabhängig von den Todesdrohungen ihres Vaters habe die 46-Jährige auch gar nicht gewusst, an wen sie sich wegen der ständigen sexuellen Übergriffe die ganzen Jahre über hätte wenden sollen. „Mit wem hätte ich denn sprechen sollen?“, fragte sie nach Angaben des Gerichtssprechers. Die Bewährungshelferin, der sie sich Anfang des Jahres offenbarte und die daraufhin das Strafverfahren gegen den 69-Jährigen ins Rolle brachte, sei die erste in ihrem Leben gewesen, zu der sie Vertrauen aufgebaut habe. Aber auch das habe einige Monate gedauert.
Keine Hilfe habe sie von ihrer Mutter erwarten können. Diese habe von Anfang an von den Vergewaltigungen gewusst. Bei dem ersten Übergriff habe ihre Mutter sogar mit im elterlichen Ehebett gelegen, berichtete die Tochter. Damals sei sie zwölf oder 13 Jahre alt gewesen. Als sie ihre Mutter in späteren Jahren auf die ständigen sexuellen Übergriffe angesprochen habe, habe diese nur geschwiegen.
Die am ersten Prozesstag erhobene Behauptung ihres angeklagten Vaters, der Sex sei einvernehmlich gewesen, teils habe sie ihn sogar zu den Intimitäten animiert, wies die Tochter vehement zurück. Ihr Vater habe sie immer mit Schlägen und Drohungen zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Einmal habe sie ihrem Vater sogar ein Schlafmittel ins Essen gemischt, um nicht schon wieder Opfer seiner sexuellen Übergriffe zu werden.
Der nach einer Beinverletzung erneut im Rollstuhl in den Gerichtssaal gebrachte Angeklagte hatte seine Tochter während deren Aussage nach Kochs Angaben die gesamte Zeit mit den Augen fixiert. Die 46-Jährige würdigte ihn dagegen keines Blickes. Gleich am Anfang habe der 69-Jährige versucht, seiner Tochter mit einem Zwischenruf über den Mund zu fahren, wurde aber vom Gericht gerügt. „Man hat gemerkt, dass der Vater mit der Aussage seiner Tochter nicht einverstanden ist.“ Die Tochter wiederum bezichtigte ihren Vater in ihrer Aussage mehrfach der Lüge.