Impf-Chaos: Kein Leitfaden und zu wenig Impfstoff

MÜNCHEN - Der Freistaat ist am stärksten von der Schweinegrippe betroffen. Um so schlimmer, dass die Impfung mit einer Serie von Pannen anläuft: Es gibt zu wenig Impfstoff und keinen Leitfaden für die Schließung von Schulen.
Die Zahlen steigen und steigen. Inzwischen ist die Schweinegrippe in Bayern bei 17580 Menschen diagnostiziert worden. Das teilte das Landesamt für Gesundheit (LGL) gestern mit. Damit bleibt der Freistaat weiter am stärksten in ganz Deutschland betroffen.
Die Entwicklung ist rasant: Allein vom 26. Oktober bis zum 1. November verzeichneten die bayerischen Behörden 4560 neu bestätigte Fälle – ein Anstieg von 256 Prozent gegenüber der Vorwoche. Knapp 60 Prozent aller neu gemeldeten Fälle in Deutschland stammen somit aus Bayern.
Kein Wunder, dass die Bevölkerung verunsichert ist – das zeigt auch die rege Nachfrage bei Beratungs-Hotlines (siehe unten). Was zur allgemeinen Beunruhigung beiträgt: Ganz reibungslos laufen Impfung und Information nicht ab.
Stichwort Fallzahlen: Wie viele Menschen sind tatsächlich an Schweinegrippe erkrankt? „Man weiß es nicht“, heißt es beim LGL. Die Dunkelziffer ist kaum abzuschätzen. Selbst bei den registrierten Erkrankungen kursieren unterschiedliche Zahlen. So meldete die Stadt München 3928 Kranke (Stand: 6. November). Auf den Internetseiten des LGL war aber nur von 2168 Betroffenen die Rede. Die Begründung: „Meldeverzögerungen.“ Oft wird von den Ärzten gar nicht mehr getestet, ob jemand tatsächlich an Schweinegrippe erkrankt ist – auch wenn er Symptome hat. Weil die Therapie ohnehin die selbe wie bei einer „normalen“ Grippe ist.
Stichwort Impfung: Im Juli waren 7,5 Millionen Impfdosen für den Freistaat bestellt worden – bis gestern sind davon erst gute 600000 angekommen. Es war zwar vereinbart, dass es Teil-Lieferungen geben sollte. Aber im Gesundheitsministerium heißt es: „Wir hatten mehr Impfstoff erwartet.“ Man ging eigentlich davon aus, dass es zwischen 250000 und 300000 Impfdosen pro Charge sein sollten. Ein Satz mit X: Vorletzte Woche kamen nur 132000 Impfrationen in Bayern an, letzte Woche waren es 236000. Der Grund: Produktionsverzögerungen beim Hersteller (AZ berichtete). Die Folge: Es kam bereits zu Engpässen. „In manchen Praxen gibt es Wartelisten“, heißt es bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Jeweils am Dienstag wird der neue Impfstoff in Dresden beim Hersteller abgeholt, freitags ist er dann in Großhandel und Apotheken.
Stichwort Schulen: An 181 Münchner Schulen sind Fälle von Schweinegrippe aufgetreten. Eine einheitliche Linie gibt es nicht bei der Frage, wann eine Einrichtung besser geschlossen werden sollte. „Das sind Einzelfall-Entscheidungen der Behörden vor Ort“, heißt es beim LGL.
Bei Fragen zum Thema Schweinegrippe können Sie sich ans Landesamt für Gesundheit wenden: Werktags von 10 bis 16 Uhr sind unter Tel. 089-31560101 Infektiologen erreichbar. Das Bürgertelefon vom Gesundheitsministerium gibt von 8 bis 18 Uhr Auskunft, Tel.030/346465100. Die Liste der Impfärzte gibt es unter www.kvb.de.
Julia Lenders