Immer mehr Unfälle durch E-Bikes und Pedelecs – Fachleute fordern Helmpflicht

Immer mehr und vor allem ältere Menschen sterben in Bayern bei Radlunfällen. Schuld sind E-Bikes und Pedelecs. Fachleute fordern nun Maßnahmen.
von  David Lohmann
Eine Radfahrerin fährt mit ihrem Pedelec – auf ihnen passieren immer mehr Unfälle. (Symbolbild)
Eine Radfahrerin fährt mit ihrem Pedelec – auf ihnen passieren immer mehr Unfälle. (Symbolbild) © dpa

München - Die jüngsten Zahlen zur Fahrrad-Unfallstatistik sind besorgniserregend: Laut bayerischem Innenministerium starben letztes Jahr 94 Radler bei Unfällen – ein neuer Rekord. Und das, obwohl die Anzahl der Verkehrstoten so niedrig war wie seit Beginn der Unfallaufzeichnungen vor 70 Jahren.

Das Haus des Innenministers Joachim Herrmann (CSU) erklärt den Widerspruch auf Anfrage der AZ mit der "körperlichen Verfassung des betroffenen Radfahrers". Das ist eine höfliche Umschreibung dessen, was in der Forschung längst Konsens ist: Durch E-Bikes und die noch schnelleren Pedelecs setzen sich mehr ältere Menschen aufs Rad. "Senioren reagieren langsamer, verlieren schneller das Gleichgewicht und verletzen sich schwerer als Jüngere", sagt Kirstin Zeidler von der Unfallforschung der Versicherer im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Knapp drei Viertel der getöteten Radler in Bayern über 65

Fast drei Viertel der getöteten Fahrradfahrer in Bayern waren über 65 Jahre alt, knapp die Hälfte nutzte ein Pedelec. Das ist aber nur eine Erklärung dafür, warum von bundesweit 446 tödlichen Fahrradunfällen rund 33 Prozent ohne Fremdverschulden verunglückt sind.

Weitere Gründe sind Falschparker, unübersichtliche Kreuzungen oder schlecht ausgebaute Radwege - insbesondere auf Landstraßen, wo fast jeder zweite Unfall passiert. Laut GDV wurden 15 Prozent der Unfälle von Autos und acht Prozent von Lkw verursacht. Bei einer Befragung räumten auch zwei Drittel ein, dass ihre Fahrweise schuld sei.

Radler "recken bei einer grünen Ampel vor dem Lastwagen die Faust und fahren neben ihnen her", so Unfallforscher Wolfram Hell von der Gesellschaft für medizinische und technische Traumabiomechanik. Dabei sei ihnen oft nicht klar, dass sie nicht gesehen werden. Den größten Effekt zur Verringerung der tödlichen Unfälle hätte aus Hells Sicht eine Helmpflicht. "Von den getöteten Fahrradfahrern in München zwischen 2019 und 2024 trugen bis auf einen alle keinen Helm", sagt er.

Mit Helm könnte noch die Hälfte der tödlich Verunglückten noch leben

Mindestens die Hälfte davon könnte noch leben. In anderen Ländern seien Helme schon längst Pflicht oder die Tragequote liegt wie in Stockholm bei 90 Prozent. Tatsächlich ist es erstaunlich, warum Helme seit kurzem beim Skifahren freiwillig getragen werden, dies bei den bis zu 20 Stundenkilometern schnellen Pedelecs aber als verzichtbar gilt. Hell vermisst das Eingreifen der Politik. "Manche haben Angst vor ihren Wählerinnen und Wählern", vermutet er. Dabei habe auch die umstrittene Gurtpflicht Leben gerettet.

Neben dem Ausbau der Radwege und zusätzlichen Tempo-30-Zonen werden getrennte Grünphasen für den Radverkehr und wie bei Motorrädern eine ABS-Pflicht gefordert sowie ein Tempolimit von 80 Stundenkilometern auf Landstraßen. Effektiv wären auch Reflexionsstreifen und gute Beleuchtung der Zweiräder. In Skandinavien hat dies die Rate von schweren Fahrradunfällen reduziert.

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