„Ich war 90 Minuten im Regionalzug gefangen!“

Die vollbesetzte Bahn, in der auch Reinhard Nuß saß, diente als Abschlepplok
SIEGELSDORF Reinhard Nuß ist ein passionierter Bahnfahrer: Wenn immer es geht, nutzt der 59-Jährige den Zug. Auch als der inzwischen in Penzberg bei Garmisch wohnende Franke diese Woche seine Mutter zu ihrem 88. Geburtstag in Würzburg besuchte. Doch was dann passierte, fand Nuß, der unter Platzangst leidet, unglaublich: Der vollbesetzte Regionalexpress, in dem er saß, wurde als Abschleppzug missbraucht. „Wir saßen fast anderthalb Stunden fest“, schimpft er.
Am Nachmittag war Reinhard Nuß in den neuen Alstom-Zug der Mainfrankenbahn gestiegen. Kurz nach Siegelsdorf blieb der plötzlich stehen. „Uns wurde gesagt, dass sich die Weiterfahrt verzögert, weil vor uns ein defekter Zug der gleichen Bauart liegt. vor allem, die Leute, die Anschlusszüge erreichen mussten, haben da schon geflucht.“
Dann passierte erstmal nichts
„Im Zug schaukelte sich langsam die Panik hoch“, erinnert sich Nuß. Die Leute in der vollbesetzten Bahn hätten überlegt, mit Nothämmern die Scheiben einzuschlagen. Doch dann ging es weiter – allerdings nur im Schritttempo zum Bahnhof Burgfarrnbach.
„Eigentlich hätte man uns da aussteigen lassen können“, ärgert sich der Bahn-Kunde. „Dann hätte man mit anderen öffentlichen Verkehrsmitteln weiterfahren können.“ Doch das durften die Passagiere nicht. Selbst als sie mit Randale drohten, bleiben Lokführer und Zugbegleiter hart. Ein Bahnsprecher verteidigt die Kollegen: „Man hat den Zug nicht geöffnet, weil man der Meinung war, dass man nicht so lange braucht.“
Bislang kam keine Entschuldigung
So kam Nuß erst mit dem letztmöglichen Zug in Penzberg an: „Dass wir als vollbesetzter Regionalzug für diesen defekten Zug als Abschlepplokomotive herhalten mussten, war echt ein Witz. Es hat sich noch nicht mal jemand entschuldigt.“
Andrea Uhrig