„Ich verlange verdammt viel“
FÜRTH - Matthias Egersdörfer, grantelnder fränkischer Vorzeigekabarettist stellt sein neues Programm „Ich mein es doch nur gut“ vor – und ist tatsächlich ein großer Moralist
Zwischen Wollschneemännern, Gelbwurst, Rolltreppen und dem großen Thema „Einparken“ tobt er sich aus. Wütend, stampfend, dampfend. Und irritiert damit oft genug die Zuschauer. Doch ist dieser herumschreiende Typ kein Grobian, keiner der Plattheiten auswalzt. Er ist lakonischer Philosoph, ein wunderbarer Geschichtenerzähler, der trotz des Scheiterns nie die Liebe und die Hoffnung verliert. Auch wenn er das verdammt gut tarnt. Matthias Egersdörfer hat mit seiner Rolle als dauergrantelnder Franke zwischen Passauer Scharfrichterbeil, Hamburger Comedy-Pokal und Nürnberger Kulturstipendium nahezu alle wichtigen Kabarettpreise abgeräumt – und war zwischen „Anstalt“, „Scheibenwischer“ und „Satiregipfel“ in jeder wichtigen Kabarett-TV-Sendung zu sehen. Nun stellt der fränkische Kabarettist ab Donnerstag (und vier ausverkaufte Vorstellungen in Folge) im Nürnberger Burgtheater sein neues Programm „Ich mein es doch nur gut“ vor. Höchste Zeit, mit dem nachdenklichen und tatsächlich sehr freundlichen Kabarettisten zu reden.
AZ: Herr Egersdörfer, können Sie denn noch aus dem Haus gehen, ohne einen Preis in die Hand gedrückt zu kriegen?
MATTHIAS EGERSDÖRFER: Achso... naja, der Vorteil der Preise, die jetzt kommen, ist, ich muss mich nicht mehr beweisen oder gegen Mitspieler durchsetzen. Da wird man angerufen und gefragt, ob man das annimmt.
Und was sagt man da?
Naja, da gibt’s Schlimmeres.
Haben Sie denn einen Überblick über ihre diversen Preise?
Naja. Also, die letzten zwei waren so Anrufpreise, das waren... allmächd... Des eine war der Bayerische Senkrechtstarterpreis. Das andere war in Mainz der Deutsche Kleinkunstpreis, glaube ich.
Stimmt. Nehmen Sie diese Preise noch ernst?
Naja, der Senkrechtstarter war... Ich mach das ja seit 2004. Und da jetzt ein Senkrechtstarter. Naja. Aber ich habe mich schon Freude. Ich bin ja von der Biografie her ziemlich auszeichnungsarm. Ich habe im Sport nix g’rissen, in der Schule war ich mau. Na gut, ich war immerhin Meisterschüler. Aber das freut mich schon. Diese Preise stehen auch immer komisch in der Wohnung rum, und meine Frau stellt sie mir dann immer irgendwohin, dass ich sie woanders hin räumen soll. Vielleicht habe ich da einen zu laxen Umgang damit. Aber es ist schön, wenn man beim Aufräumen wieder einen entdeckt und sich sagt: Och.
Sie haben mal gesagt, sie suchen sich nach dem Lustprinzip aus, was Sie machen. Jetzt spielen Sie im November im Gostner Hoftheater „Böse aus Liebe“, ein Theaterstück...
Ja, da spielen wir diese Klamotte. Das ist einfach ein zeitloses, schönes Stück. Aber da muss ich wieder Text lernen, da habe ich eine gewisse Nervosität davor. Weil im Kabarett präge ich mir nur Stationen ein. Ich hangel’ mich da an einem roten Faden entlang. Aber im Theater muss man ja einigermaßen exakt sein. Da werde ich sehr nervös sein.
Sie sind mit Kabarett erfolgreich, haben mit Fast zu Fürth eine unmögliche Boygroup, haben Drehbücher geschrieben, drehen Kurzfilme, betreiben Ihre Comedy-Lounge und spielen Theater. Wo soll’s denn da hingehen?
Es gibt keinen Masterplan. Es freut mich sehr, dass das Theater wieder anfängt. Da würde ich gerne mehr machen. (Pause) Im Grunde genommen möchte ich meine Geschichten erzählen. Und immer wieder neue spannende Gefährten finden für neue Sachen. Aber ich sag ’etz net, dass ich in zwei Jahren da und dort stehen möchte.
Möchten Sie mal in einer ausverkauften Arena spielen?
Das ist für mich nicht der Punkt. Die Sachen, die ich gut finde, die finden nicht in Arenen statt. Meine Helden haben kein Massenpublikum. Ich war mit dem Heinrich Filsner in Ansbach, und da war’s net ganz ausverkauft. Ich stand hinter der Bühne und hab gesagt, was ist da los, was ist da falsch gelaufen? Und da hat der Heinrich gesagt: Du Vollidiot, es sind mehr als 100 Karten verkauft, es ist alles in Ordnung. Das war sehr heilsam. Es geht net drum, große Hallen zu füllen. Das kann nie der Punkt sein.
Gehört bei Ihnen das Trauen dazu? Dass man sich traut zu lachen?
Ein Kollege hat mal gesagt, dass ich verdammt viel verlange von den Leuten, weil sie keine direkten Hinweise bekommen: Ab hier darf gelacht werden. Da gibt es manchmal schöne Szenen, wo sich Paare streiten, weil der eine sich kaputtlacht und der andere sich drüber aufregt, dass der sowas lustig findet. Insofern gehört da schon trauen dazu.
Gefällt ihnen das Spalten?
Naja, schon. Everybody's Darling ist Everybody's Arschloch. Das ist natürlich auch hart, wenn man manchmal hört, was für ein miserables Zeug man macht. Aber wenn es jeder nett und schön findet, das würde mich weniger interessieren.
Worüber lachen die Menschen denn am ehesten?
(schmunzelt) Naja, über Schwanzwitze lachen die Leute schon. Und ich glaube, sie lachen auch, wenn man von seinem Scheitern oder seinen Missgeschicken erzählt.
Das Tragische ist das Komische?
Ja, die Geschichten, wo es einen auf die Fresse haut – und viele Geschichten von mir gehen übers Scheitern –, da wird schon gelacht. Ich erzähle ja keine Heldengeschichten.
Müssen Sie sich warmspielen, damit Sie richtig böse und grummelig gucken können?
Das hat mich letztens einer gefragt, ob ich das vorm Spiegel übe, das Grimassieren. Das mache ich nicht. Ich habe ja quasi meine Grundausbildung beim Impro-Theater gehabt. Da weiß man fünf Minuten vorher nicht, was gespielt wird. In der Tradition befinde ich mich immer noch. Außerdem hat mir sogar jemand gesagt, dass ich sehr viel lachen würde, beim neuen Programm.
Oh. Sie verlieren am Ende noch Ihr Profil.
Nein, der hat mir auch gesagt, es wird fast noch schlimmer, wenn ich lache. Da wird es noch gruseliger. Das hat mich dann wieder beruhigt.
Ihre letzten Kolumnen in der AZ beschäftigen sich mit der Kirche, mit dem Glauben. Ist das Teil des neuen Programms?
Ja, das sind Themen, mit denen ich mich auseinandersetze. Eine AZ-Kolumne ist auch eine Nummer im Programm. Da ist schon Stille im Saal. Das ist ein neuer Ton im Programm, neben der Wut, das ist ein Jammerton. Kein Brüllen aus Wut, sondern ein Klagegesang, über den Tod, die Vergänglichkeit.
Stille bei Egersdörfer? Denken Sie sich da vorher: Ob das gutgeht?
Wie ich das Programm mit Claudia Schulz, die Regie geführt hat, gemacht habe, da waren wir nicht dagesessen und haben drüber nachgedacht, ob die Leute da brüllen vor Lachen. Oder wenn ich meiner Frau eine Geschichte vorlese, da sagt die immer: Naja, wenn du das machst, wird’s schon lustig sein. Ich kann das nicht mehr beurteilen. Dass dann Schweigen entsteht, das hat mich fast gewundert. Aber wenn es passiert, wenn ein Saal, der vorher gebrüllt hat vor Lachen, plötzlich still ist, ist das sehr schön.
Mit welcher Erwartungshaltung wird man vom neuen Programm enttäuscht?
Wenn man Tanztheater erwartet. Oder viel Bewegungen. Es ist noch minimalistischer. Es gab bei „Falten und Kleben“ vier Ausfallschritte, und wenn sich nicht noch groß was ändert, wird das ganze an zwei Positionen stattfinden. Musik gibt es überhaupt keine mehr. Ein großes Spektakel ist da nicht geboten.
Sie waren auch schon bei „TV total“ – da gab es immer wieder Einstellung zu sehen, in denen man vollkommen fassungslose Menschen im Publikum sieht. Da fragt man sich: Freut Sie das? Das Irritieren?
Naja, ich bin bei Raab das dritte oder vierte Mal gewesen. Ich habe mich da langsam akklimatisiert. Aber das ist ein harter Keks. Das ist schon ein Stefan Raab-verliebtes Publikum. Und wenn man da mit einer grundsätzlich anderen Tour kommt, schaffen die Leute es nicht, in drei, vier Minuten umzuschalten auf mich.
Und? Amüsiert Sie das?
Also im Nachhinein schon...
Und vor Ort geht Ihnen die Düse?
Mit der Zeit wird’s besser. Ich trete schon lieber vor Leuten auf, denen mein Zeug gefällt. Ich ärgere auch lieber Leute, die sich ärgern lassen, die mitmachen. Wenn ich jemanden beschimpfe und merke, der nimmt das zu persönlich, dann lasse ich auch ab. Da mein ich’s ja nur gut.
Was meinen Sie denn gut?
Das ist ein Höllensatz. Der fällt das erste Mal in der Kindererziehung. Damit werden ganz schlimme Geschichten übertüncht. Ich wollte dem Satz ein Denkmal setzen. Der CIA-Folterer macht das ja auch nur, weil er es gut meint. Der will ja nur die westliche Demokratie retten.
Und was wollen Sie retten?
Ich möchte die großen Werte hochhalten. Freundschaft, Glaube, Liebe, Hoffnung. Darum geht’s mir schon. So schwierig, wie das ist. Dass man sich nicht quält, gegenseitig. Aber wenn ich das genau sagen könnte, was ich will, dann würde ich diese Geschichten nicht erzählen. Ich will nicht nur gute Unterhaltung, ich will ja was sagen, in meinen Bildern und Geschichten. Auf den Punkt bringt das vielleicht nur der Satz: Ich mein es doch nur gut.
Interview: Martin Mai
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