„Ich verdiene kaum mehr als meine Helferin“

Der HNO-Arzt Jürgen Burgmayr erklärt, warum er seine Praxis zusperrt und gegen die Gesundheitsreform protestieren wird
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„Wir sind dann bald weg“: HNO-Arzt Jürgen Burgmayr schließt heute seine Praxis. Bessert sich die Situation nicht, ist die Existenz von Facharzt-Praxen gefährdet.
Berny Meyer 2 „Wir sind dann bald weg“: HNO-Arzt Jürgen Burgmayr schließt heute seine Praxis. Bessert sich die Situation nicht, ist die Existenz von Facharzt-Praxen gefährdet.
Heute streiken die Ärzte im Großraum: Die Nürnberger Mediziner ziehen ab 14 Uhr protestierend durch die Innenstadt.
dpa 2 Heute streiken die Ärzte im Großraum: Die Nürnberger Mediziner ziehen ab 14 Uhr protestierend durch die Innenstadt.

Der HNO-Arzt Jürgen Burgmayr erklärt, warum er seine Praxis zusperrt und gegen die Gesundheitsreform protestieren wird

FÜRTH „Wir sind dann bald weg!“, steht auf dem Schild an der Praxistür. Die Zeitschriften des Lesezirkels im Wartezimmer sind weggeräumt, und Jürgen Burgmayr (47) trägt einen dicken Pullover statt des Arztkittels. Es ist kühl in seiner Hals-, Nasen-, Ohren-Praxis in der Schwabacher Straße in Fürth. „Ich muss sparen. Damit es jeder merkt, habe ich die Heizung zurückgedreht“, sagt er. Heute arbeitet er nicht. Aus Protest gegen die Gesundheitsreform sperrt er, wie hunderte andere Fachärzte im Großraum, seine Praxis für einen Protest- und „Fortbildungstag“ zu.

„Seit den 90er Jahren sinken unsere Honorare aus den Krankenkassen regelmäßig“, sagt HNO-Arzt Burgmayr. Besonders hart trifft ihn und seinen Praxis-Partner jedoch die aktuelle Honorarreform. „Wir rechnen damit, dass wir heuer über 30 Prozent weniger als im vergangenen Jahr bekommen“, hat Burgmayr ausgerechnet. Zwar gibt es derzeit noch eine Härtefallregel, die die Einkommensverluste auf fünf Prozent im Halbjahr abfedert. „Doch es ist doch keine Lösung, dass wir mit permanenten Einnahmerückgängen leben müssen.“

HNO-Ärzte bekommen nur 33,10 Euro pro Patienten und Quartal

Seit Januar bekommen HNO-Ärzte 33,10 Euro pro Patient und Quartal. „Das ist wie eine Flatrate“, vergleicht Burgmayr. „Damit ist dann alles abgegolten.“ Für gerade mal 11,03 Euro im Monat. „Die meisten Menschen geben monatlich mehr für einen Friseurbesuch aus.“

Dass die realen Behandlungkosten damit nicht gedeckt sind, zeigt Burgmayrs Beispiel: Ein Patient klagt, dass es ihm schwindelig ist und er ein lautes Pfeifen im Ohr hört. Für das erste Gespräch darf der Arzt die Grundpauschale von 19,61 Euro abrechnen, für den ersten Hörtest 12,66 Euro. Damit ist die Pauschale schon fast aufgebraucht.

Doch die Behandlung geht weiter. Mit einem weiteren Hörtest (12,81 Euro) wird festgestellt, ob der Patient noch Sprache verstehen kann. Dann müssen Trommelfell (6,71 Euro), Innenohr (10,37 Euro) und das Gleichgewicht (22,57 Euro) getestet werden. Wenn auch noch ausgeschlossen werden soll, dass sich hinter dem Pfeifen im Ohr und dem Schwindel ein Tumor verbirgt, ist eine weitere Untersuchung (28,82 Euro) fällig.

„Und das sollen wir alles von den 33,10 Euro Pauschale bezahlen! Dazu muss ich kein Betriebswirtschaftler sein, um zu sehen, dass das nicht klappt.“ Deshalb steuert Burgmayr einen Sparkurs. Sein Vorgänger, von dem er die Praxis übernahm, hatte noch acht Vollzeit-Mitarbeiter. Jetzt beschäftigt Burgmayr eine Vollzeithelferin, zwei Halbtagskräfte und eine Auszubildende. Seit zwei Jahren operiert er nicht mehr – und spart sich dadurch 1600 Euro Prämie für die Haftpflichtversicherung. „Wenn das Ultraschallgerät kaputtgeht, schaffen wir kein neues an.“ Die Investition von 50000 Euro bekomme er nie mehr herein.

Burgmayr ärgert sich, dass mit dem einheitlichen Kassenbeitrag derzeit soviel Geld wie noch nie im Gesundheitswesen vorhanden sei. „Doch bei uns unten kommt nichts an! Wenn ich es hochrechne und meine Kosten abziehe, dann verdiene ich im Monat nicht viel mehr als meine Sprechstundenhilfe.“ Und die geht mit 2000 Euro brutto nach Hause. Michael Reiner

Mehr über den Ärzte-Streik lesen Sie in der Print-Ausgabe Ihrer AZ am Dienstag, 16. Februar.

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