"Ich hätte dort niemanden übernachten lassen dürfen!"

Prozessauftakt um die für sechs Menschen tödliche Feuer-Katastrophe in Schneizlreuth: Der Angeklagte entschuldigt sich bei den Hinterbliebenen. Die Behörden hätten aber vom Pensionsbetrieb gewusst.
von  Sandra Bauer
Sechs Menschen sind bei dem Brand eines Bauernhofs in Schneizlreuth im Mai 2015 ums Leben gekommen. Kleines Bild: Der Angeklagte Georg Michael S. (rechts) spricht in dem Gerichtssaal des Landgerichts Traunstein mit seinen Anwälten.
Sechs Menschen sind bei dem Brand eines Bauernhofs in Schneizlreuth im Mai 2015 ums Leben gekommen. Kleines Bild: Der Angeklagte Georg Michael S. (rechts) spricht in dem Gerichtssaal des Landgerichts Traunstein mit seinen Anwälten. © dpa/AZ

Traunstein - „Ich habe Schuld auf mich geladen.“ Mit diesem Eingeständnis des Angeklagten Georg Michael S. hat gestern der Prozess um den verheerenden Brand mit sechs Toten und 20 Verletzten im oberbayerischen Schneizlreuth (Landkreis Berchtesgadener Land) begonnen. „Ich hätte dort niemanden übernachten lassen dürfen“, sagte der 47-Jährige vor dem Landgericht Traunstein.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung vor. Der gelernte Koch habe seine Gäste ohne Genehmigung in einem einstigen Bauernhof beherbergt. Er soll für den Tod von sechs Männern verantwortlich sein. Die Opfer im Alter zwischen 30 und 42 Jahren waren in der Nacht zum 23. Mai 2015 in dem Inferno erstickt. Das Feuer war in einem Wäscheschrank ausgebrochen.

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In einer gut 20-minütigen Erklärung vor der Großen Strafkammer hieß es, der Angeklagte sei bereit, die Verantwortung in vollem Umfang zu übernehmen. Der 47-Jährige gab zu, das historische Gebäude ohne erforderliche Genehmigungen als Gästehaus genutzt zu haben. Mit einer solchen Katastrophe habe er nie gerechnet. Er habe in der Brandnacht furchtbare Bilder des Grauens erlebt. Dafür entschuldigte er sich bei den Hinterbliebenen sowie bei den Verletzten und bat sie, „die Entschuldigung anzunehmen“.

 

Der Angeklagte hat sich nie Gedanken über Brandschutz gemacht

 

In seiner Erklärung meinte der Angeklagte außerdem, er sei „blauäugig“ an die ganze Sache herangegangen. Bei der selbst ausgeführten umfangreichen Sanierung und Renovierung des alten „Pfarrerbauernhofs“ habe er sich nie Gedanken über den Brandschutz gemacht.

Gleichzeitig sagte er: „Ich bin schon der Meinung, dass die Behörden genau Bescheid wussten, dass ich im Pfarrerbauernhof Gäste übernachten ließ.“ Dabei hatte er 2009 gegenüber dem Landratsamt Bad Reichenhall erklärt, er werde keine Gäste in dem Gebäude unterbringen. Danach lagen aber nicht nur auf dem Landratsamt Flyer aus, in denen er mit Übernachtungsmöglichkeiten warb.

 

1000 bis 1200 Gäste haben jährlich in dem Gästehaus übernachtet

 

Jedes Jahr hätten zwischen 1000 und 1200 Gäste übernachtet, so der Angeklagte. Die Zahlen habe er der Gemeindeverwaltung regelmäßig gemeldet und er habe dafür Fremdenverkehrsbeiträge abgeführt. Gemeinsam mit einem Mitarbeiter der Gemeinde habe er außerdem das Matratzenlager besichtigt. Eine Feuerbeschau habe es allerdings nicht gegeben, räumte der Angeklagte auf Nachfrage des Gerichts ein.

Darüber hinaus erklärte der Angeklagte, der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde Schneizlreuth habe in dem alten Bauernhof als Elektriker Installationsarbeiten erledigt. Und auch der amtierende Bürgermeister soll von den Übernachtungsmöglichkeiten gewusst haben, so Georg Michael S. weiter.

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Viele der Hinterbliebenen zeigten sich angesichts dieser Aussagen geschockt. „Ich frage mich, wie das alles passieren konnte. Warum ließ der Angeklagte Leute dort übernachten, obwohl er es nicht gedurft hätte?“, sagt Jennifer Doppelhofer, die zum Prozess gekommen ist. Die Mutter von zwei Kindern im Alter von drei und neun Jahren hat bei dem Feuer, einem der schlimmsten Brände in der bayerischen Nachkriegsgeschichte, ihren Mann Lars verloren. „Ich hoffe, dass ans Tageslicht kommt, wer weggeschaut hat.“

Der Angeklagte erzählte am ersten Prozesstag außerdem von mehreren Sabotageakten gegen seinen Betrieb. Im Jahr 2008 seien Kletterhaken von Gästen angesägt worden. In der Brandnacht habe es zudem Einbruchsspuren in einem Nachbargebäude gegeben.

Die beiden Verteidiger des einstigen Bundeswehrsoldaten mit traumatischen Kriegserfahrungen in Somalia gehen von vorsätzlicher oder fahrlässiger Brandstiftung aus. Für den Prozess sind weitere sechs Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil wird für Februar erwartet.


 

Die Nacht der Katastrophe - 20 Gäste springen ins Freie

 

Es ist kurz vor drei Uhr nachts am 23. Mai 2015, als das Feuer in dem als Firmensitz des angeklagten Eventmanagers Georg Michael S. und als Gästehaus genutzten sogenannten „Pfarrerbauernhofs“ im oberbayerischen Schneizlreuth (Landkreis Berchtesgadener Land) ausbricht.

In dieser Nacht am Pfingstwochenende regnet es stark. 54 Menschen befinden sich in dem Gebäude, darunter 47 Mitarbeiter der Firma Lindner aus dem niederbayerischen Arnstorf (Landkreis Rottal-Inn), die dort das 50. Jubiläum des Unternehmens feiern wollen. Alle sechs Todesopfer gehören dem niederbayerischen Betrieb an. Im Dachgeschoss übernachten 24 Personen in einem Matratzenlager.

Der Raum ist nur über eine Holztreppe erreichbar, die nach Ausbruch des Feuers im ersten Stock ebenfalls in Brand gerät und den Gästen die Flucht versperrt. 20 Personen werden teils schwer verletzt, als sie sich durch Sprünge ins Freie vor den Flammen retten.

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