„Ich bin so romantisch!“

José Carreras kommt nach Nürnberg. Warum der Star-Tenor statt großer Opern-Arien beim Konzert in Nürnberg mit „Mediterranean Passion“ Folklore und populäre Songs bietet.
von  Abendzeitung
Kommt nach Nürnberg: José Carreras.
Kommt nach Nürnberg: José Carreras. © Dorothee Falke

NÜRNBERG - José Carreras kommt nach Nürnberg. Warum der Star-Tenor statt großer Opern-Arien beim Konzert in Nürnberg mit „Mediterranean Passion“ Folklore und populäre Songs bietet.

Nein, über den „Kollegen“ Paul Potts möchte José Carreras nicht viele Worte verlieren. Ja, er habe Talent und an seiner Benefiz-Gala teilgenommen. Mag der Casting-Show-Tenor auch derzeit wie in Nürnberg die Arena in ganz Deutschland die Stadien füllen: Kein Wort dazu, ob ihn das treffe, da Carreras sich auf seiner aktuellen Tour mit übersichtlichen Konzerträumen wie der Meistersingerhalle „begnügen“ muss.

AZ: Señor Carreras, hören Sie selbst gelegentlich noch Klassik zur Entspannung?

JOSÉ CARRERAS: Ich liebe es, denn es ist nach wie vor die höchste Kunst in der Welt der Musik.

Kritiker würden wohl kaum die Folklore-Stücke und Popularmusik Ihres neuen Albums „Mediterranean Passion“ so bezeichnen.

Nun, solche Stücke sind von großen Sängern interpretiert worden wie Caruso, Mario Lanza oder Giuseppe di Stefano. Ich habe diese Lieder seit meiner Kindheit geliebt: die mediterrane Leidenschaft in diesen Songs, die Energie, manchmal auch die Leichtigkeit, die ihnen innewohnt – und vor allem kann ich sie aus ganzer Seele singen.

Anne-Sophie Mutter sagt, sie sei mit ihrer eigenen Interpretation nie hundertprozentig zufrieden: Kennen Sie solch eine Haltung auch von sich selbst?

An dem Tag, an dem ich zu hundert Prozent zufrieden mit mir selbst wäre, würde ich von der Bühne abtreten. Nein, ein Künstler möchte einfach immer besser werden – ja, er muss einfach sein Leben lang offen sein, Neues zu lernen.

Das Instrument des Sängers büßt mit dem Alter an Qualität ein. Wie gehen Sie damit um?

Natürlich verliert man als Sänger mit den Jahren gewisse Qualitäten, doch gleichzeitig gewinnt man anderes hinzu – und das spiegelt sich in der Interpretation ebenso wider wie in der eigenen Gefühlswelt. Ich selbst bin nach wie vor ein sehr romantischer Mensch, aber eben in einer anderen Weise als ich das als 20-Jähriger gewesen bin – und das drückt sich natürlich auch in meiner Interpretation aus: Mit den Jahren gewinnt man einfach ein viel tieferes Verständnis und Gefühl.

Warum mag sich kaum ein großer Sänger auf dem Höhepunkt seiner Karriere zurückziehen?

In allen Berufen werden die Menschen älter – man muss einfach intelligent genug sein fortzuführen, woran man nach wie vor Freude hat. Aus diesem Grund singe ich etwa seit Jahren schon nicht mehr „La Bohème“: Warum sollte ich das auch tun, wo ich doch weiß, dass ich es früher viel besser gemacht habe?

Was zieht Sie denn immer wieder auf die Bühne?

Es ist ein Gefühl der Vertrautheit und Intimität, die direkte Kommunikation mit dem Publikum und dieser Moment, in dem ich spüre, dass das Publikum unmittelbar auf meine Interpretation reagiert.

Hören Sie sich Ihre eigenen alten Aufnahmen gelegentlich noch einmal an?

Nicht allzu oft, um ganz ehrlich zu sein. Ich lausche eher den Aufnahmen von so großartigen Künstlern wie Giuseppe di Stefano oder auch Herbert von Karajan.

Welcher der vielen Höhepunkte Ihrer Karriere nimmt in der Rückschau einen besonderen Platz ein?

Sicherlich die 12 Jahre gemeinsamer Arbeit mit Maestro Herbert von Karajan. Für ihn habe ich selbst den Radames in Verdis „Aida“ gesungen – und ich hätte für ihn sogar die Micaela in Bizets „Carmen“ gesungen, wenn er mich gefragt hätte.

Christoph Forsthoff

José Carreras gastiert mit seinem Programm „Mediterranean Passion“ am Samstag in der Meistersingerhalle

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.