Hygiene-Mängel bei Müller: Die Hintergründe
Das Landratsamt in Freising greift ein. „In den letzten Wochen eskalierte die Situation“, berichtet die Sprecherin der Lebensmittelkontrolle. Und das Unternehmen streut ein offenbar falsches Gerücht.
München/Freising - Der Holzknecht mit Walnüssen ging gestern früh nicht raus an die Filialen. Der Low-Carb-Laib „Pro Body“ auch nicht – genauso wie das Hausbrot, der Krafticus, das Finnenbrot oder der Isartaler. Denn Müller-Brot, die große Bäckerei aus Neufahrn, backt nicht mehr.
Weil’s bei ihr offenbar zu schmutzig ist.
Laut Landratsamt (LRA) Freising stoppte das Unternehmen bereits am Montag die Produktion in der Zentralbäckerei in Neufahrn. Grund: „Die Kontrollen haben ergeben, dass wegen der mangelhaften Grundhygiene eine komplette Betriebs- und Anlagenreinigung erforderlich ist“, so das LRA. Au Backe.
Nun steht die Produktion im Werk komplett still. Deshalb wurden gestern viele der rund 260 Filialen und 3600 Verkaufsstellen nicht beliefert. Laut dem Bayerischen Rundfunk waren vor allem Läden in München, Regensburg und Passau betroffen – was Müller-Brot nicht bestätigt. Im Laden am Hauptbahnhof fand die AZ allerdings einige Semmeln und Brezn in der Auslage – auf den Brotregalen hinter den Verkäufern sah’s aber so leer aus wie sonst kurz vor Ladenschluss.
Die Mängel seien für Kunden „nicht gesundheitsgefährdend“, sagte die Sprecherin des für Lebensmittelkontrollen zuständigen LRA Freising, Anita Fußeder. Kontrolleure hätten Verstöße gegen die EU-Lebensmittel-Richtlinien 178/2002 und 852/2004 festgestellt – also „allgemeine Verschmutzungen“, die im maschinellen Bereich gefunden worden sein sollen. Und: „Es handelt sich um einen Zustand, der sich über einen längeren Zeitraum entwickelt hat.“ Die Prüfer beanstandeten auch bauliche Mängel.
Auf erste Aufforderungen, die Mängel zu beseitigen, habe Müller-Brot nicht reagiert: „Es wurden in der Vergangenheit immer wieder Anordnungen zur Beseitigung von Mängeln erlassen“, so Fußeder. „In den letzten Wochen eskalierten die Zustände“ – Müller-Brot habe die Produktion „auf Anraten der Kontrolleure“ gestern gestoppt.
Der Lebensmittel-Skandal ist ein Desaster für das Traditionsunternehmen: Nach eigenen Angaben stellt Müller-Brot eine Million Semmeln am Tag her – und ebenso viele Brezn. Rund 70.000 Brotlaibe werden täglich ausgeliefert.
Auf erste Forderungen habe Müller-Brot nicht reagiert, heißt es
Die Großbäckerei erzeugt auch „Mühlbacher Bauernbrot“, „Pack mich Back mich“, „Bayerisch Back“ oder „Bäcker“ – viele werden in Supermärkten verkauft. Auch Toast, Sandwiches und Feingebäck sind im Sortiment. Für all das braucht die Firma 40.000 Tonnen Mehl pro Jahr. Es beschäftigt rund 1300 Mitarbeiter, der Jahresumsatz liegt bei etwa 115 Millionen Euro.
Bislang galt Müller-Brot als Qualitätshersteller – das Unternehmen erhielt bereits mehrere Preise der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft.
Ob Müller-Brot diesen Hygiene-Skandal unbeschadet übersteht? Die Firma reagierte jedenfalls recht unglücklich: Am Morgen hieß es, ein Schwelbrand habe die Produktion gestört – Polizei und Feuerwehr wussten davon aber nichts. Laut „BR“ hatte die Geschäftsleitung das an die Bäckereien gemeldet, um Lieferschwierigkeiten zu erklären. Der Sprecher von Müller-Brot spricht dagegen von einem Missverständnis. Der Brand sei vor eineinhalb Wochen aufgetreten, man führe noch Wartungsarbeiten durch.
Erst am späten Nachmittag meldete die Firma: „Müller-Brot bedauert es, falls Kunden vereinzelt auf gewohnte Produkte warten müssen.“ Man nehme die Empfehlungen des Amtes sehr ernst. „Die Sicherstellung von Spitzenqualität steht bei Müller-Brot an erster Stelle.“ Generell könne man weiterhin liefern, „es kann aber zu Verzögerungen kommen“, so ein Sprecher.
Die Arbeiten sollen laut Müller-Brot spätestens Ende der Woche abgeschlossen sein. Anita Fußeder vom LRA Freising sieht das ein bisschen anders: „Die Produktion kann erst wieder losgehen, wenn alle Lebensmittel, die den Betrieb verlassen, in einem einwandfreien hygienischen Zustand sind.“
Tradition und Erfolg aus Giesing
Müller-Brot wurde 1930 in Giesing gegründet – nach dem Krieg lieferte Sohn Hans Müller noch Brote mit Pferden aus. Nach dem Tod seiner Eltern 1951 verkaufte der 19-Jährige die alte Bäckerei und wurde Großbäcker – sogar der erste und größte Supermarktlieferant für Backwaren in Deutschland.
1953 baute Müller die erste vollautomatische Semmelproduktionsanlage der Welt. Ein Arbeiter am Fließband schaffte auf einmal 12.000 Semmeln in der Stunde. Die Brezn werden nach Firmenangaben aber immer noch von Hand geschlungen.
Ende der 70er verließ sich Hans Müller nicht mehr nur auf das Geschäft als Zulieferer von Supermärkten – er begann, ein eigenes Filialnetz aufzubauen. Nach und nach wurden die Läden mit tiefgekühlten Teiglingen beliefert, die erst vor den Augen der Kunden in speziellen Öfen aufgebacken wurden. Eine Praxis, die die meisten Bäckerfirmen heute mittlerweile übernommen haben.
Anfang des 21. Jahrhunderts war die Müller-Brot AG der viertgrößte Backwarenhersteller Europas.
2003 ging Hans Müller in den Aufsichtsrat und holte Klaus Ostendorf als Konzernchef, der dann auch neuer Besitzer wurde.
Hans Müllers KinderEva und Hans waren aber weiterhin im Aufsichtsrat vertreten.
Heute ist Müller-Brot eine GmbH mit etwa 260 Filialen in Bayern – darunter 165 in München und Umgebung. Die beiden Gesellschafter sind nach Firmenangaben die Familie Müller und eine weitere Familie
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