Hilfspfleger soll sechs Senioren mit Insulin ermordet haben

Ein Hilfspfleger spritzt zwölf Senioren Insulin, das sie gar nicht brauchen - sechs davon sterben. Der Mann gesteht, bestreitet aber eine Tötungsabsicht. Die Ermittler finden ein sonderbares Motiv.
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Ein Tropfen Insulin ist an der Nadelspitze eines Pen zu sehen. Foto: Rolf Vennenbernd/Archiv
dpa Ein Tropfen Insulin ist an der Nadelspitze eines Pen zu sehen. Foto: Rolf Vennenbernd/Archiv

München (dpa/lby) - Ein Hilfspfleger soll an verschiedenen Einsatzorten in Deutschland fünf alte Männer und eine Seniorin ermordet haben. Dies ergaben die Ermittlungen gegen den 36 Jahre alten Mann aus Polen, der seit Februar in Untersuchungshaft sitzt, wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag in München mitteilten. Die Ermittler werfen dem Mann zudem drei versuchte Morde sowie drei Fälle der gefährlichen Körperverletzung vor. Auch soll er etliche Klienten vor allem um Bargeld und Schmuck bestohlen haben.

Drei Morde soll der Hilfspfleger in Bayern, außerdem je einen in Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Niedersachsen begangen haben. Bei den Toten aus Bayern handelt es sich um einen 77-Jährigen aus dem Landkreis Erlangen-Höchstadt, um einen 84-Jährigen aus dem Landkreis Kitzingen und um einen 87-Jährigen aus Ottobrunn bei München.

Dem selbst an Diabetes erkrankten Hilfspfleger wurde im Januar 2017 Insulin verschrieben. Mit einem sogenannten Insulin-Pen spritzte er seit April 2017 auch zwölf betreuten Senioren im Alter zwischen 66 und 91 Jahren das Medikament, obwohl diese das gar nicht brauchten - in den sechs Fällen war es eine tödliche Dosis. Der Beschuldigte gestand die Taten, bestritt aber eine Tötungsabsicht.

Seit Mai 2015 hatte der Hilfspfleger sich nach den Erkenntnissen der Ermittler in Deutschland um pflegebedürftige Personen gekümmert, zur 24-Stunden-Pflege zog er bei den Patienten auch ein. Insgesamt war er an 68 Orten beschäftigt. Und bei dem Einzug in die Wohnungen der Senioren ist den Ermittlern zufolge auch das Motiv des Mannes zu finden.

Denn in der Regel habe er nach kurzer Zeit festgestellt, dass ihm "dieser Arbeitsplatz nicht so liegt", sagte Oberstaatsanwältin Anne Leiding. Die Gründe dafür seien unterschiedlich, beispielsweise "dass die Gepflegten häufig Besuch empfangen, und er sich dadurch kontrolliert fühlt", so Leiding. Andere Gründe: fehlendes W-Lan, Essen, das ihm nicht schmeckte, oder dass er mehrfach in der Nacht aufstehen musste. Manchmal habe er sich überlastet gefühlt mit den Anforderungen und den Aufgaben, die an ihn gestellt wurden, sagte Josef Wimmer von der Mordkommission.

Der 36-Jährige wollte demnach weg von den Arbeitsstellen, die ihm nicht gefielen. Im Falle einer Kündigung hätte er jedoch teilweise mit vertraglichen Strafen rechnen müssen. Um diesen zu entgehen, habe er das Insulin verabreicht, so die Ermittler. So wurden die Patienten zum Notfall, wurden ins Krankenhaus gebracht und er konnte von einem außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch machen. "Nach unserem Stand der Ermittlungen nahm er den Tod der Betreuten durchaus billigend in Kauf", sagte Wimmer.

Raus kam alles durch den mutmaßlichen Insulin-Mord an einem 87-Jährigen in Ottobrunn im Februar dieses Jahres. Daraufhin wurde an den vorigen Einsatzorten des Hilfspflegers nachgeforscht. Die Polizei wandte sich mit einem Aufruf auch an die Öffentlichkeit. Das sei in diesem Fall sehr wichtig gewesen, so Leiding. Denn 23 Beschäftigungen des Hilfspflegers seien nur so bekanntgeworden, und bei vier dieser Einsätze starb ein Mensch. Drei Leichen seien im Laufe der Ermittlungen exhumiert worden.

Noch seien die Ermittlungen nicht abgeschlossen, man werde voraussichtlich noch bis zum Frühjahr brauchen, sagte Leiding. Der Beschuldigte sitzt weiterhin in Untersuchungshaft, gegen ihn wurde Anfang November ein erweiterter Haftbefehl erlassen. Die Polizei geht davon aus, dass die Festnahme des Hilfspflegers weitere Taten verhindert habe. Denn der Mann habe nach dem Pflegeeinsatz in Ottobrunn bereits eine neue Beschäftigung in Aussicht gehabt.

Der Fall weckt Erinnerungen an den ehemaligen Krankenpfleger Niels Högel, der mehr als 100 Patienten auf dem Gewissen haben soll. Seit zwei Wochen muss er sich erneut vor dem Landgericht Oldenburg verantworten.

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