Hier lernen Knast-Azubis, wie man Handschellen anlegt
20 Lehrlinge haben in der JVA Nürnberg ihre Ausbildung zum Justizvollzugs-Beamten begonnen.
NÜRNBERG „Selbst gebastelte Tätowiergeräte, Paketklebeband, Drogen, Handys und Geld – das alles ist in der Zelle verboten“, sagt Robert Würfel. Der 41- jährige Ausbildungsleiter tastet den Vorhang des vergitterten Fensters ab. „Hier haben Gefangene manchmal etwas eingenäht“, sagt er zu Bastian (30) und Jennifer (21). Die Augen der beiden folgen jeder Bewegung. Seit einigen Wochen machen sie ihre Ausbildung zum Justizvollzugsbeamten – hinter den Gittern des Nürnberger Gefängnisses.
Würfel durchsucht den Müll, durchblättert Magazine, filzt Schrank und Matratze. Anwärter Bastian kniet und fischt geknülltes Papier hinter der Heizung hervor – Fehlanzeige, es ist leer. Am Schrank in dem kargen, zehn Quadratmeter großen Raum klebt das Foto einer berüchtigten Rockergang. Draußen scherzen Zellenbewohner. Ein mächtiger Typ im Unterhemd mit Schnauzbart und einer riesigen Tätowierung auf dem Arm lehnt an der Wand.
„Nein, auch solche Gefangenen machen mir keine Angst“, sagt die 1,63 Meter große Frau. „Respekt ist da, aber keine Angst.“ Junge Anwärter müssten mit Psycho-Spielchen klarkommen. „Sie sehen, du bist jung und weiblich und testen aus, weit sie gehen können“, so die 21-Jährige. Sie weiß sich durchzusetzen. 3000 Bewerber haben sich auf 160 Ausbildungsstellen in Bayern für den mittleren Justizdienst beworben: Deutsch- und Mathe-Prüfungen, Vorstellungsgespräche und psychologische Tests musste die gelernte Handelskauffrau bestehen. Seit Februar ist sie mit 19 Azubis in der JVA dabei.
Am Ende der Ausbildung winkt ein sicherer Beamten-Job
Torwache, Bekleidungskammer, Werkstätten und Unterkünfte – die zukünftigen Beamten lernen nun alle Stationen in Bayerns zweitgrößter JVA kennen. Mehr als 1200 Häftlinge können hier einsitzen. 21 Monate dauert die Ausbildung, nach der Prüfung winkt ein sicherer Beamten-Job. Rund 1000 Euro verdienen die jungen Grünuniformierten bis dahin im Monat.
Ein Job im Knast trifft auf Vorurteile: „Natürlich kann ich mich im Gefängnis bewegen – ohne immer Leib und Leben zu riskieren“, sagt Bastian Nur müsse hier er eben alle Türen wieder abschließen. Zwölf Schlüssel klingeln an seiner Kette. Waffen trägt er keine.
Im jedem Raum gibt es einen Alarmknopf, wird er ausgelöst, sind schnell mehrere Beamte zur Stelle. „Bei Alarm steigt der Adrenalinspiegel“, sagt Bastian. Einmal musste er bei Alarm in die Küche. „Da geht einem durch den Kopf, dass dort viele Messer hängen.“ Es war ein Fehlalarm.
„Natürlich gibt es auch Situationen, auf die wir keine Paradelösung haben“, sagt Würfel. Etwa wenn sie beim Morgenrundgang einen Selbstmörder fänden. Eine Krise anderer Art musste Bastian schon bewältigen: „Das Kind eines Häftlings war schwer krank. Der heulte selbst wie ein kleines Kind.“ Einfühlungsvermögen sei enorm wichtig. „Die Aufgaben gehen weit über das Bewachen hinaus.“L.-M. Nagel
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