Hier endete die traurigste Liebesgeschichte des Jahres
Die Fürther Werner (79) und Eleonore L. (80) wollten gemeinsam sterben. Der Plan misslang. Jetzt muss sich die Frau vor Gericht verantworten
FÜRTH Nichts könnte die Vergänglichkeit des Lebens besser symbolisieren als das auf dem Boden liegende Herbstlaub neben der steinernen Engelsfigur. An dieser etwas abgelegenen Stelle des Fürther Friedhofs kommen nicht sehr viele Menschen vorbei. Hier gibt es keine Grabsteine, keine Kreuze, keine Blumen. Hier ruhen die Namenlosen und Vergessenen. Und hier endet auch die traurigste Liebesgeschichte des Jahres.
Ihr ganzes Leben haben Werner (†79) und Eleonore L. (80) gemeinsam verbracht. Schmerz und Leid haben sie geteilt, Glück und Freude, Höhen und Tiefen. Gemeinsam wollten sie auch sterben. Doch dieser Wunsch entwickelte sich zu einer ungeahnten Tragödie.
Am Montag wird ein Richter des Amtsgerichts Fürth wohl eine seiner schwierigsten Entscheidungen treffen müssen. Ist es angemessen, die hochbetagte Elli hinter Gitter zu schicken? Kann er sie auf freiem Fuß lassen? Möglich ist alles. Justizsprecher Thomas Koch: „In ihrem Fall reicht der Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Haft.“
Vor dem Suizidversuch legte sie ihrem Mann noch Blumen auf die Brust
Der Tod jagte Werner L. keine Angst ein. Wovor er sich fürchtete, war etwas ganz anderes. Er wollte auf keinen Fall als willenloser Pflegefall sein Leben beschließen. Doch genau danach sah es aus, nachdem Ärzte bei ihm ein unheilbares Krebsleiden diagnostiziert hatten. Dazu kamen eine bedrohliche Verengung der Halsschlagader und seine Schwerhörigkeit. Werner und Elli L. sprachen oft über diese düstere Perspektive – und sie waren sich auch einig, gemeinsam aus dem Leben zu scheiden.
29. September 2009: In ihrer Drei-Zimmer-Wohnung im fünften Stockwerk eines Wohnblocks in der Königsbergerstraße war alles vorbereitet. Werner L., ein pensionierter EDV-Fachmann, hatte seine Frau überzeugt, dass sie erst ihn und dann sich selbst töten solle.
Irgendwann am Abend, so ermittelte die Staatsanwaltschaft, schluckte Werner L. eine Überdosis des Schlafmittels Flurazepam. Er legte sich im Wohnzimmer auf den Boden. So wie er es mit seiner Frau besprochen hatte, zog sie ihm eine Plastiktüte über den Kopf, als er das Bewusstsein verloren hatte. Anschließend setzte sie sich eine Stunde lang auf seinen Brustkorb – und stach ihm schließlich mit einer Schere in den Hals. Sie wollte sicher sein, dass er tot ist. Anschließend wollte sie sich mit einem Stromschlag in der gefüllten Badewanne töten. Zuvor jedoch legte sie ihrem Mann noch Blumen auf die Brust und schrieb einen Abschiedsbrief. Ihr eigener geplanter Tod misslang, weil sie stürzte und sich so schwer an der Wirbelsäule verletzte, dass sie bewegungsunfähig war. Erst drei Tage später wurde sie entdeckt.
Obwohl ihr Mann tot ist, wurde Elli L. nur wegen versuchter Tötung (auf Verlangen) angeklagt. Es kann nämlich sein, dass ihr Mann bereits durch die Überdosis starb.
Helmut Reister
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