Herzenstürlein mit praktischem Schlitz

NÜRNBERG - Das Cedar Lake Contemporary Ballet begeisterte mit drei aktuellen Stücken in Fürth. Darunter war auch eine Uraufführung.
Zum glücklichen Finale der Fürther Tanzabo-Saison nahm das Cedar Lake Contemporary Ballet im Stadttheater plänkelnden Anlauf: Ihren einzigen Deutschlandabstecher begann die erst 2003 gegründete New Yorker Compagnie mit Jo Stromgrens „Sunday, Again“ (Immer wieder sonntags). Einem Federball jagen die in Strandweiß gekleideten jungen Menschen nach, ein Netz wird über die Bühne geschleift, mundgemachte Tennisgeräusche verbinden sich mit Bachs Motette „Jesus Christus, meine Freude“.
Trotz intensiver Momente (da tastet sich eine Tänzerin so lange durchs Trikot ihrer Kollegin, bis die vermeintliche Folter im Ballfund endet) erschöpfen sich viele Bilder im Dekorativen, bleibt das Aufeinanderprallen von Beziehungskonflikten, Strandidylle und religiöser Innigkeit ohne erhellenden Funkenschlag.
Von ganz anderem Kaliber die Uraufführung von Jacopo Godanis „Unit In Reaction“: Schweißtreibend präsent sind die sechs muskulösen Körper, die sich zur stampfenden Maschinenmusik aus der Hüfte in eckige Handlungswiederholungen werfen. Ihre einem unsichtbaren System hörigen Marionetten verstören mit kalter Sinnlichkeit.
Ein beklemmender Kraftakt, der die Betriebstemperatur deutlich steigerte und in Didy Veldmans vielgesichtigem „frame of view“ (Sichtrahmen) gipfelte. Zwei Türen markieren einen Raum, Durchgangsort für emotionale Wirren aller Arten: Eine Frau findet keinen Halt an einem Tisch, eine andere verschreckt die Verehrer, um wahre Zärtlichkeit an der Tür zu finden — eine Latexbespannung und der breite Briefschlitz (für seine Hände) machen’s möglich. Ein anderes Paar prügelt sich in Zeitlupe, ein verlorener Amor kann’s auch mit Konfetti-Regen nicht kitten. Veldmans Sichtrahmen sind oft neu, verblüffen mit ungesehenen Gesten und Spielwitz. Und beweisen, dass die junge, athletische Truppe auch fesselnd erzählen kann. Georg Kasch
Noch am 9. Mai, 19.30 Uhr.