Hass und Böller

Nürnberger Ultras in Fürth: Eine tumbe Masse feiert sich mit Pöbel-Parolen und Feuerwerkskörpern.
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In der Masse stark, laut und kaum berechenbar: Der harte Kern der Nürnberger Club-Fans, der am Sonntag mit einer Polizeieskorte zum Stadion geleitet wurde.
Berny Meyer 4 In der Masse stark, laut und kaum berechenbar: Der harte Kern der Nürnberger Club-Fans, der am Sonntag mit einer Polizeieskorte zum Stadion geleitet wurde.
Die Polizei hielt sich zurück, um nicht den berühmten Funken zu liefern. Auch, als verbotene bengalische Fackeln gezündet wurden.
Berny Meyer 4 Die Polizei hielt sich zurück, um nicht den berühmten Funken zu liefern. Auch, als verbotene bengalische Fackeln gezündet wurden.
Aus der Masse heraus schleuderten einige Böller – auch gegen ein Polizeipferd. Es scheute und warf seinen Reiter ab.
Wolfgang Zink 4 Aus der Masse heraus schleuderten einige Böller – auch gegen ein Polizeipferd. Es scheute und warf seinen Reiter ab.
Penibelste Kontrollen rund um das Stadion verhinderten, dass Waffen eingeschmuggelt werden konnten.
Berny Meyer 4 Penibelste Kontrollen rund um das Stadion verhinderten, dass Waffen eingeschmuggelt werden konnten.

Nürnberger Ultras in Fürth: Eine tumbe Masse feiert sich mit Pöbel-Parolen und Feuerwerkskörpern.

FÜRTH „Ich hob denkt, des is a Fußballschbill. Aber des is ja, wie wenn der Obama uns bsuchd.“ O-Ton eines Fürther Taxifahrers, der wie so viele gestern an den massiven Absperrungen der Polizei scheiterte. Doch es war berechtigt, dass die Polizei derartige Präsenz zeigte.

Übergewicht, Glatze, in den Hals tätowierte SS-Runen

Ja, es ist alles gutgegangen bei diesem 253. Derby. Doch wer die Ultras durch Fürth marschieren hörte, wem die Böller um die Ohren flogen, wer ihre Schlachtgesänge wie „Tod und Hass“ vernahm, der war froh, dass diese „Fans“ im engen Korridor der Polizei laufen mussten.

Es waren rund 2000, der harte Kern der Club-Fans, der der Polizei im Vorfeld Sorgen bereitete. Die kamen nicht von ungefähr: Beim Derby 2004 gab es Ausschreitungen, die sich nicht mehr wiederholen sollten. An der Stadthalle sammelten sich die meist schwarz Gekleideten. Viele erinnerten durch Übergewicht, Glatze und in den Hals tätowierte SS-Runen an englische Hooligans. Sie benahmen sich nicht besser.

Bengalische Fackeln wurden abgebrannt – sie waren im Vorfeld verboten worden. Immer wieder krachten riesige Böller – auch sie waren verboten. Die Pyrotechnik schleuderten einzelne in Richtung Polizei oder Passanten, dann duckten sie sich in der Masse. Eine schwierige Situation für die Polizei: reingehen, den Werfer rausholen?

Unmöglich, das hätte den Hass der ganzen Gruppe heraufbeschworen. So blieb beobachten und abwarten.

Auch dann noch, als die Pferde der Münchner Polizei beworfen wurden. Mit dem Ergebnis, dass eines der ansonsten bemerkenswert ruhigen Tiere ausbrach, seinen Reiter abwarf und eine Runde im Fürther Klee in den Flussauen drehte.

„In der Masse, da sind sie anders. Nachher, ja, da sind sie einsichtig“, sagt der FCN-Fanbeauftragte

Ein Szenario, das Robert Böttner, den Leiter der Reiterstaffel, erschreckte. „Nicht jedes Spiel läuft so ab“, kommentierte er vorsichtig. Die Böller seien leider „unser Geschäft“, aber die Anzahl, die in Fürth geworfen wurde, sei eine „traurige Situation, es überrascht mich“. Eine Überraschung, aus der Fürths Polizeichef Roman Fertinger lernen wird: „Beim nächsten Mal wird es bereits im Vorfeld schärfere Kontrollen geben.“ Dem abgeworfenen Reiter geschah nichts, er konnte sein Ross unter „Lauf, Fury!“-Lästern der Fans einfangen.

In der Erlanger Straße hatte der schwarze Block dann seinen großen Auftritt: Hier bestand zum einzigen Mal die Möglichkeit, direkt die Fürther Anwohner an den Fenstern zu beleidigen. Sie taten’s lautstark. Jürgen Bergmann, der Fan-Beauftragte, lief voraus, nach den Böllerschlägen drehte er sich immer um, zog die Stirn in Falten. Eine Kommunikation mit den Männern und Frauen hinter ihm, die vor sich ein „Anti-Fü“-Transparent halten, gab es nicht.

„Schwierig, jetzt mit einzelnen zu sprechen“, sagte er. „In der Masse, da sind sie anders. Nachher, ja, da sind sie einsichtig“, er seufzte. Wieder ein Böllerschlag. „Das ist doch...!“ „Scheiße“ – sagt er nicht.

Für fünf Fans ging das Derby in die Verlängerung

Und die Masse zieht weiter bis zum Laubenweg, Hier finden die ersten Kontrollen statt, die Menge verhält sich ruhig. Danach muss raus, was man intus hat – jede Menge Bier, gekippt wurde ab 9 Uhr morgens auf dem Weg nach Fürth. In Reihen stehen sie an den Wohnhäusern, urinieren in die Vorgärten, werfen ihre Flaschen weg. Da mag man mit manchen Fürther Einwohnern fast hoffen, dass nur eine fränkische Mannschaft aufsteigt. Beim Derby, so wird kolportiert, wird besonders intensiv auf die Blumenrabatten gepinkelt.

Nicht alle Club-Fans kamen ins Stadion. Rund 200 waren es, die die Polizei nicht reingelassen hat – Hooligans, die schon in anderen Stadien aufgefallen sind. Sie trafen sich im Café Ringbahn in Ikea-Nähe. Nachdem das Spiel abgepfiffen wurde und dort der letzte Gast gegangen war, schloss der Wirt sofort ab. Wenn es im Inneren der Gaststätte so aussah wie davor, wird er noch länger am Putzen gewesen sein.

Im Stadion blieb’s friedlich, bei Parolen und Anfeuerungen ließen sich auch die Fürther nicht lumpen. Vermutlich hatten die Ultras ihre komplette Munition schon auf dem Weg verpulvert. Und nach dem Spiel war nicht vor dem Spiel: Das Remis hat die Brisanz herausgenommen. Die Schwarz-Roten wurden teils mit Sonderbussen zur Stadthalle gefahren oder liefen dorthin zurück. Es blieb ruhig. Endlich konnte Fürth wieder freigegeben werden.

Für fünf Fans wird das Spiel eine Verlängerung haben: Sie wurden festgenommen – drei wegen Flaschenwürfen auf Polizisten, zwei wegen Beleidigung von Beamten.

Susanne Will

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