Hartmut Engler: "Ich sah merkwürdig aus"
NÜRNBERG Als sie 1993 fragten, wo denn all die Indianer hin seien, horchte Deutschland auf. Als sie 1995 dazu einluden, mit ihnen ins Abenteuerland zu kommen, folgten Millionen. Seitdem war der Aufstieg von „Pur” zu einer der erfolgreichsten deutschen Musikgruppen aller Zeiten nicht mehr aufzuhalten, wobei Unkenrufe und Anfeindungen nicht ausblieben.
Ende 2010 veröffentlichten Pur anlässlich ihres 30. Bandjubiläums ihr drittes Live-Album, aufgenommen in einem Kino. Die dazugehörige Tournee startete am Donnerstag in Frankfurt. Obschon die Fanbasis keineswegs geschrumpft ist, gaben die Musiker diesmal kleinen, aber feinen Locations den Vorzug gegenüber den großen Konzerthallen und Stadien.
Hartmut Engler erklärt, warum.
AZ: Herr Engler, im April stehen Sie und Ihre Kollegen auf der Bühne der Meistersingerhalle. Erwarten Sie jetzt von Ihrem Publikum, dass es in Abendgarderobe erscheint?
HARTMUT ENGLER: Ich glaube, das Publikum weiß, was ein Pur-Konzert ist – und dass man sich da nicht schick machen muss dafür! Aber wenn sie Lust haben, dann dürfen sie das natürlich tun.
Die ersten Male als Karrierehöhepunkte
Trotzdem sind die Orte Ihrer Tournee ungewöhnlich, da man Pur eher mit Mehrzweckhallen-Bombast in Verbindung bringt.
Na, ja – wir haben haben ja schon den Testlauf gemacht, als wir vor gerade mal 500 Leuten in einem plüschigen Ludwigsburger Kino bei uns um die Ecke gespielt haben. Für unsere Jubiläumstour wollten wir einfach mal was anderes machen und das Ganze ein bisschen intimer gestalten.
Die Konzerte werden also leiser sein als sonst?
Natürlich wollen wir eher eine Zuhöratmosphäre schaffen. Aber das soll die Pur-Party nicht verhindern. Die Leute sollen auch klatschen, singen und johlen können. Andererseits aber auch die Möglichkeit haben, sich mal wieder hinzusetzen und zu lauschen. Und wie wir schon im Kino gesehen haben: Das wird ganz schnell schnuckelig und gemütlich und ein sehr unterhaltsamer Abend, wo dann auch die ein oder andere Anekdote nicht fehlen darf.
Aus dem Nähkästchen der vergangen drei Jahrzehnte geplaudert...
Das lässt sich gar nicht vermeiden, weil wir ja nicht mit komplett neuen Songs unterwegs sind. Wir gehen das einfach mal aus einer anderen Perspektive an und wollen unsere Lieder in einem anderen Soundgewand vorstellen.
Generell ist Ihre Musik ja sehr eingängig, trotzdem halten sich in Deutschland die Pur-Fans und die Pur-Hasser die Waage. Ein Aufsatz über Ihre Band etwa trägt den Titel „Die beste Band der Welt–oder die schlechteste”.
(lacht) Also, das zweite kann man schon mal ausschließen!
Trotzdem machen sich viele Leute über Pur lustig.
Das ist richtig. Und ich versuche, sowas auch immer zu ergründen. Man kann’s eventuell zurückführen auf die Neunziger, als die Leuteplötzlich mit dem Phänomen „Pur” konfrontiert wurden. Und ich sah damals ja wirklich ein bisschen merkwürdig aus. Ich hatte einige Kilos zu viel, einen riesigen Ohrring und eine lange, große Locke mit Vokuhila-Frisur. Das war sicher alles nicht modisch adrett, und da habe ich vielleicht bei vielen eine Antihaltung hervorgerufen. Aber ich geb den Leuten, die uns nicht mögen, einfach den Rat, unsere Musik nicht anzuhören. Wir tun ja niemandem weh. Wir beißen auch nicht.
Und die 30-jährige Erfolgsgeschichte spricht für sich. Was war eigentlich Ihr persönliche Karriere-Höhepunkt? Und behaupten Sie jetzt bitte nicht, dass Sie die Frage nicht beantworten können, weil es viel zu viele gab!
Hmmm.... Dann formuliere ich es mal so: Es waren eigentlich immer die ersten Male. Das kann ich definitiv sagen. Das erste Mal die eigene Vinylplatte auf dem Plattenspieler zu haben, das erste Mal sich selbst im Radio zu hören. Das erste Mal eine Goldene Schallplatte zu bekommen. Und das erste Mal in einem Fußballstadion zu spielen und zu begreifen, dass die ganzen Leute hierher kommen, um eine ehemalige schwäbische Schülerband anzuhören.
Und was für erste Male sollen jetzt, nach 30 Jahren, noch kommen?
Ach, mittlerweile geht’s gar nicht mehr darum, sich immer neue Höhepunkte zu schaffen. Das ist wie mit diesem Jagen nach dem permanenten Glücksmoment. Viel wichtiger ist es, dass man irgendwann eine Zufriedenheit entwickelt. Und unsere Zufriedenheit wird sich dann einstellen, wenn wir beim nächsten Album wieder feststellen: Die Kreativität ist immer noch da, und es macht weiterhin Spaß. Und solange wir den nicht verlieren, wird's uns auch geben.
Interview: Maximilian Theiss
- Themen: