Häftling verblutet - doch der Knast-Arzt will seinen Job zurück
Dr. Kurt P. (63) klagt vor dem Arbeitsgericht gegen seine fristlose Kündigung. Seine Chancen stehen nicht schlecht, weil er im Strafprozess freigesprochen wurde. Die Entscheidung fällt in 4 Wochen
NÜRNBERG Skandalöse Umstände beim Tod eines U-Häftlings kosteten Knast-Arzt Dr. Kurt P. (63) den Job. Er wurde fristlos gefeuert. Das wollte der umstrittene Mediziner nicht auf sich sitzen lassen. Vor dem Arbeitsgericht klagt er auf Wiedereinstellung in den Staatsdienst. Seine Chancen stehen nicht schlecht.
Das Trauerspiel begann in der Nacht zum 16. Juli 2008. David S. (†23), der wegen eines Raubdelikts seit fünf Monaten in U-Haft saß, schnitt sich mit einer Rasierklinge die Pulsadern auf. Unmittelbar danach überlegte er es sich anders und betätigte den Notruf. Zwei Wärter erschienen – und unternahmen nichts. Etwa 20 Minuten lang, wie die späteren Ermittlungen ergaben, schauten sie lediglich durch das Guckloch in die Zelle. Erst danach holten sie einen der hauseigenen Sanitäter. Der aber konnte die starken Blutungen nicht stillen. Er rief Dr. Kurt P. an, der in dieser Nacht Bereitschaftsdienst hatte. Der Knast-Arzt gab dem Sanitäter per Telefon Anweisungen zur Behandlung, hielt es aber nicht für nötig, selbst zu kommen. Nach etwa einer Stunde wurde der BRK-Notarzt gerufen, weil sich der Zustand des Häftlings immer weiter verschlechterte. Als der Notarzt kam, war David S. tot.
Nicht nur die Eltern des Opfers sprechen von einem Skandal
Der damalige Chef der Nürnberger Justizvollzugsanstalt, Hans Welzel, hielt lange die schützende Hand über seinen Arzt. Erst als Anklage wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung gegen ihn erhoben wurde, suspendierte er Dr. P. vom Dienst. Die unerwartete Wende geschah dann im Prozess. Weil sich die eingeschalteten Gutachter nicht darüber einig werden konnten, ob der Häftling nach den Schnitten in die Pulsader überhaupt gerettet werden hätte können, wurde der Knast-Arzt freigesprochen. Dass Fehler gemacht wurden, stand aber auch für die Richterin fest. Nicht nur die Eltern von David S. sprechen seitdem von einem Skandal.
Vier Monate später, im April letzten Jahres, erhielt Dr. Kurt P. plötzlich die fristlose Kündigung. Dagegen stemmt er sich vor dem Arbeitsgericht, das sich gestern beide Seiten anhörte.
Das vorrangige Ziel von Dr. Kurt P. ist klar: Er will seinen Job zurück. Als mögliche Alternative wäre er auch mit einer anderen Lösung einverstanden, wie er vor Gericht kundtat: volles Gehalt bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres, Zahlung aller Zulagen, finanzieller Ausgleich der Rentenzahlungen. Das würde mehrere hunderttausend Euro ausmachen.
Der juristische Vertreter des Freistaates rechnete kurz nach, dann stellte er trocken fest: „Bevor wir soviel Geld ausgeben, stellen wir ihn lieber wieder ein.“ Nicht ganz einfach: Die Stelle des Arztes ist längst neu besetzt – und für Dr. P. müsste eigens eine Planstelle geschaffen werden.
Das Arbeitsgericht entscheidet in vier Wochen. H. Reister
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