"Guter Gedanke, schade."

Audio von Carbonatix
NÜRNBERG - Der diesjährige Träger des Deutschen Kabarettpreises, Frank Lüdecke, im AZ-Interview über alte Ideen, Satire als Unterhaltung und sinkendes Niveau
Ein Mann für die sprachlich anspruchsvollen Zwischentöne" ist er nach Ansicht des Nürnberger Burgtheaters, das Frank Lüdecke schon einmal auszeichnete – in den 90ern, da war der Polit-Kabarettist noch eine Hälfte des Duos Phrasenmäher. Nun bekommt der Berliner, der zehn Jahre lang Sketchschreiber für Didi Hallervorden war, drei Jahre lang künstlerischer Leiter der „Distel“ und bei Mathias Richlings ARD-„Satiregipfel“ regelmäßig Mattscheibenpräsenz zeigt, den Deutschen Kabarettpreis und damit von der Stadt gestiftete 6000 Euro. Die dazugehörige Gala am Samstag in der Tafelhalle, wo auch Mathias Tretter (Förderpreis) und Jochen Malmsheimer (Programmpreis) von Vorjahressieger Andreas Rebers die Urkunden bekommen, ist traditionell seit Wochen ausverkauft. Die Popularität brach bei dem subtilen Pointenschleifer, der im Juli auch noch den Bayerischen Kabarettpreis bekommt, schon vorher durch: Sein letzter Nürnberg-Auftritt war in acht Stunden ausverkauft — Burgtheater-Rekord!
Herr Lüdecke, Kritiker attestieren Ihnen gelegentlich die Aura eines Bankangestellten...
Dankeschön.
Jedenfalls verzichten Sie auf Typen, Dialekt und knallige Effekte. War der eher unscheinbare Auftritt eher hinderlich in der öffentlichen Wahrnehmung?
Keine Ahnung. Ich habe früher, bei den „Phrasenmähern“, auch Figuren gespielt, aber da war der Ablauf streng festgelegt und ich fühlte mich eine Zeitlang darin gefangen.
Warum?
Weil man nicht so schnell reagieren konnte. Und es fiel mir schwer, innerhalb der Rolle dann mit dem Publikum Kontakt aufzunehmen. Ich hatte irgendwann Lust, eine offenere Form zu wählen. Nur die Grundstruktur zu behalten und Einzelteile immer wieder zu tauschen. Beim letzten Programm waren am Schluss noch 40 Prozent von der Erstfassung übrig.
Also ein Baukastensystemler.
Das klingt so nach „OBI“. Es geht aber um Aktualität.
Nochmals zurück zur Wahrnehmung: In der letzten Zeit häufen sich die Preise. Sind Sie am Ende ein Spätzünder?
Jedenfalls bin ich nie nach oben geschossen. Seit 20 Jahren geht es kontinuierlich ein Stückchen höher. Vielleicht ist das, was ich mache, auf den ersten Blick nicht spektakulär. Das ist ja im Fernsehen ganz wichtig — nach einer Minute sagen zu können: Das ist der mit der Hand. Das ist der Arzt. Und so weiter. Aber es ergab sich nicht und ich habe es auch nicht gesucht.
Was war dann Ihr Ansatz?
Ich bin, was das anlangt, nie nach strategischen Gesichtspunkten vorgegangen. Mir ist schon klar, dass es dadurch nicht einfacher gewesen ist. Letztlich habe ich mich immer nur um die Dinge gekümmert, die mich inhaltlich interessieren. Nicht darum, wie ziehe ich am schnellsten die Aufmerksamkeit der Leute auf mich.
Wo stünde Deutschland Ihrer Meinung ohne Satire?
Wir brauchen Satire nicht primär zum Leben, na ja, ich vielleicht. Satire ist Unterhaltung, keine Frage. Wir verändern da nichts.
Placebo für die Durchblicker?
]Auch das halte ich für übertrieben. Die Wirkung von Kunst im Allgemeinen wird ohnehin überschätzt. Ich weiß, die Sozialromantiker hätten es gerne anders. Ich finde, es ist schon viel erreicht, wenn der Zuschauer nach einem Kabarettabend sagen kann, er hätte sich mit gegenwärtigen Themen intelligent unterhalten. Welche Erwartung soll man denn haben? Da zahlen Leute Geld, gehen raus und sind dann bessere Menschen? Ich bin ja auch kein besserer Mensch.
Comedy ist jedenfalls kein Feindbild?
Nein. Aber der Gegentrend „Nonsense statt Entlarvung“, ist auch nicht mehr richtig hip, seit es keine neuen Supermarktwitze mehr gibt. Den Großteil der Comedy finde ich stilistisch, inhaltlich und formal total langweilig. Wobei Comedy und Kabarett ja nur in Deutschland getrennt werden. Ich habe ja immer Premiere in Dänemark, und das Land kennt überhaupt kein politisches Kabarett.
Dass Sie Kabarettist werden wollen, war Ihnen früh klar, trotz Germanistikstudium?
Ja.
Was war Ihre Erstbegegnung mit dem Kabarett?
Die „Stachelschweine“. Mich hat ein Lehrer in der Schule einfach mitgeschleift. Hat mich beeindruckt. Man sollte Schüler auch heute wieder ins Kabarett schleppen. Gerne auch gegen ihren Willen.
Sie haben gesagt, Sie seien eitel genug, den Deutschen Kabarettpreis als „schön“ zu empfinden. Wie eitel sind Sie?
Jeder, der künstlerisch tätig ist, ist eitel. Ich glaube, das geht auch nicht anders. Man muss schon von dem überzeugt sein, was man da macht.
Sortieren Sie heute Themen verschärft wegen Wiederholungsgefahr aus?
Ich wiederhole keine alten Nummern. Manchmal denke ich: Wow, der Gedanke war richtig gut, schade. In den 90ern haben wir extrem kunstfertige Texte gemacht - das ginge heute nicht mehr.
Findet die Utopie der „Verwilderung“ auch in den Köpfen des Publikums statt? Dass man das Niveau absenken muss?
Mach ich mir keine Gedanken drüber. Ich altere mit meinem Publikum, und das kennt mich. Die letzten Jahre tingele ich dann durch die Seniorenstifte.
Sie sind ja der einzige Überlebende der „Scheibenwischer“-Ära. Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
Ich glaube, Mathias Richling ist auch noch da. Also zunächst: Ich bin ja nicht unbedingt fürs Fernsehen gemacht. Meine ureigenen Stärken sind nicht die vier Minuten, sondern der ganze Abend.
Wieso sind Sie dann immer noch dabei?
Einmal aus Präsenzgründen. Auch finanziell ist es nicht ganz uninteressant. Und weil man sehr viel dabei lernt. Der Live-Druck ist extrem hoch, da geht man mit einem anderen Bewusstsein auf die Bühne. Und das Fernsehen gibt natürlich eine große Hilfestellung für die Bühnenauftritte.
Sie haben ja die Gnade der späten Geburt, will sagen, dass das Preisgeld von 3000 auf 6000 Euro erhöht wurde.
Ich begrüße diese Entwicklung sehr. Als Vater von vier Kindern. Und ich freue mich ganz besonders, dass Jochen Malmsheimer weniger bekommt. Der hat ja nur zwei.
Was machen Sie also mit dem Geld-Batzen?
Meine Kinder haben schon gefragt: Wieviel gibt's denn? Also: Wir werden davon einen Urlaub bestreiten. Vom Rest kaufen wir uns ein Haus an der Cote d'Ázur Interview: Andreas Radlmaier
- Themen:
- ARD