Gute Arbeit - kein Geld: Wie der Freistaat mit seinen Angestellten umgeht

München – Für Thomas Gehring von den Landtags-Grünen ist es ein "vorsintflutliches Verfahren", das den Freistaat Bayern zu einem "lausigen Arbeitgeber" macht.
Für die angestellten und befristeten Lehr- und Hilfskräfte, die im Zuge von Lehrermangel und pandemiebedingtem Mehraufwand an den Schulen eingestellt wurden, kann es im Zweifel sogar existenzbedrohend sein: Teamlehrkräfte, Studierende, Berufseinsteiger, Pensionäre und viele weitere Angestellte im Schulbereich mussten und müssen monatelang auf ihre Verträge warten - und auf ihr Gehalt.
Im Sommer eingestellt, im nächsten Februar bezahlt
Thomas Gehring, Sprecher für Lehrkräfte der Landtags-Grünen und Vizepräsident des Bayerischen Landtags, sagt auf Anfrage: "Es gibt Lehrkräfte, die im Sommer 2021 im Zuge der Aufholprogramme angestellt wurden und jetzt im Februar erst ihr Gehalt erhalten haben." Das liegt ihm zufolge einerseits daran, dass im Verwaltungsapparat viel zu wenig Personal vorhanden ist, um die stetig gestiegene Anzahl der Verträge zu bewältigen.
Zum anderen aber auch an überbordendem Bürokratismus: Ein solcher Vertrag im Schulbereich umfasse 42 Seiten, so schildert es Gehring am Dienstag im Ausschuss Öffentlicher Dienst im Landtag. "Zum Vergleich: Für Mitarbeitende des Bayerischen Landtags oder an Universitäten sind es sechs."
Eine durchaus dramatische Lage zeichnet auch der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV). "Ja, es ist tatsächlich so, dass wir Personen haben, die seit Schuljahresbeginn oder schon länger auf ihr Geld warten. Viele von ihnen wenden sich an uns", berichtet Hans Rottbauer, Abteilungsleiter Dienstrecht und Besoldung beim BLLV.
Groteske Folgen des Bürokratiestaus
Bei den Betroffenen handele es sich in erster Linie um sogenanntes sonstiges pädagogisches Personal, etwa aus den Bereichen sozialpädagogische Unterstützung, Integration oder Inklusion. "Zum Großteil sind es Unterstützungskräfte, die während der Corona-Pandemie hinzugekommen sind", fügt Rottbauer an.
Die Folgen des Bürokratiestaus sind zum Teil grotesk. Der BLLV-Experte: "Mir sind Fälle bekannt, da ist es soweit gegangen, dass der Förderverein der jeweiligen Schule den Betroffenen quasi mit Krediten finanziell ausgeholfen hat, weil diese Leute Geld gebraucht haben". Dabei stelle sich die Situation in den Regierungsbezirken unterschiedlich dar.
"In Oberbayern haben die zuständigen Stellen mittlerweile offenbar recht gut nachgearbeitet, aber beispielsweise in Oberfranken oder in der Oberpfalz hakt es noch", berichtet Rottbauer.
Drei Krisen gleichzeitig: Lehrermangel, Corona und Krieg
Eine schnelle Lösung der Probleme ist nicht in Sicht. "Denn derzeit haben wir mit drei Krisen zu kämpfen - dem allgemeinen Lehrermangel, mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie und den Folgen des Krieges in der Ukraine", so Rottbauer.
Unter den Tausenden Schutzsuchenden, die täglich nach Deutschland einreisen, befänden sich viele Kinder, die beschult und betreut werden müssen. "Das ist nur mit zusätzlichen Kräften möglich". Rottbauers Appell an die Entscheidungsträger: "Personal aufstocken und Antragsverfahren vereinfachen".
Die Landtags-Grünen haben am Dienstag einen Antrag eingereicht, der diese Punkte aufgreift. Zudem fordern sie die Option, die einzelnen Vertragsseiten digital ausfüllen zu können - inklusive sofortiger Fehlermeldungen. Denn: Sobald auch nur ein kleiner Lapsus beim Ausfüllen passiert, müsse derzeit alles umständlich und analog korrigiert werden - vorsintflutlich, so Thomas Gehrings Fazit.
Kultusministerium widerspricht Gehring
Dem Grünen zufolge war der Vertragsstau auch vor Corona schon ein Problem. Das Kultusministerium sieht das anders: "Aufgrund der hohen Anzahl des zusätzlichen Personals, das pandemiebedingt an den Schulen tätig ist bzw. war, war es den Regierungen sowie dem Landesamt für Schule zum Schuljahresbeginn nicht möglich, zum gleichen Zeitpunkt bzw. im gleichen Zeitraum alle Verträge gleichzeitig und kurzfristig auszufertigen", heißt es auf Anfrage der Mediengruppe Attenkofer, zu der auch die AZ gehört. Dies stelle eine große Herausforderung dar, die nur sukzessive bewältig werden könne. Man tue aber alles dafür, dass Abschlagszahlungen erfolgen können.
Wie viele Verträge derzeit immer noch nicht abgeschlossen sind, sagt das Ministerium nicht. Zwischenzeitlich konnte "der überwiegende Großteil der fristgerecht eingereichten Vertragsunterlagen auch zu einer Abwicklung und im Ergebnis zu einer Auszahlung führen", heißt es.
Dass die Situation für die Angestellten schnell besser wird, ist derzeit nicht in Sicht: Der Antrag der Grünen wurde im Ausschuss abgelehnt.