Güterzug entgleist: Wie durch ein Wunder niemand verletzt
Großalarm für die Anwohner der Ringbahn in Nürnberg. 14 Waggons wurden aus den Schienen gehoben, einer stürzte in einen Garten.
NÜRNBERG Wer in der Zedernstraße oder dem Olivenweg in Schweinau wohnt, der hat ein Gespür für Züge. Die Besitzer der schmucken Einfamilienhäuser oder Gartenlauben erkennen die Güterzüge schon am Klang. Als gestern gegen 15 Uhr der Güterzug FIR 51629 mit seinen 24 Waggons in Richtung Fernsehturm donnerte, schaute René de Ponthiere nur kurz hoch. „Wieder einer, der hier so durchrast“, schoss ihm durch den Kopf. Sekunden später krachte es. Der Zug war entgleist. 14 Waggons waren aus den Schienen gesprungen, elf hingen kurz danach in Schräglage direkt an den angrenzenden Gartenzäunen. Es hätte eine Katastrophe werden können. Doch wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt.
Ursula Schimpf (40) steckt der Schreck noch in den Gliedern. Sie verabschiedete an der Straßenecke Bekannte, als sie das Krachen hörte – und sah, dass ein Waggon umgekippt den Garten hinterm Haus ihrer Eltern berührte. Der Güterwagen war gegen einen Stahlmast gekracht, der sich ins Grundstück bog. Ein Starkstromkabel kam mit dem Baum auf dem Grundstück in Berührung: „Es tat einen Knall und der Baum brannte“, erinnert sich Ursula Schimpf. Sie ließ alle Vorsicht fahren, rannte am entgleisten Zug vorbei, kroch unter dem Waggon durch zu ihren Eltern. Die waren erschrocken – aber unverletzt.
Mindestens drei Millionen Euro Sachschaden
Weshalb der Zug entgleiste, ist noch unklar. Die Bergungsarbeiten werden Tage dauern. Auf drei Millionen Euro schätzt die Bahn den Schaden. Die Strecke ist nur für Güterzüge vorgesehen, so hat der Unfall bei der Bahn kein Chaos ausgelöst. Bis die Bergung anlief, dauerte es einige Stunden, denn nach der Stromabschaltung musste auch der Reststrom in den Kabeln geerdet werden.
Der Zug kam aus Seelze (Niedersachsen), Ziel war der Nürnberger Rangierbahnhof – das Ziel von vielen Zügen, die hier täglich direkt am Rand eines Wohngebietes entlang rauschen. Die Anwohner sind schockiert. Gestern mussten einige ihre Häuser verlassen, weiträumig wurde abgesperrt, denn zunächst mussten Polizei und Feuerwehr, die zu dem Großeinsatz ausrückten, von einem Gefahrgutunfall ausgehen. Laut Papieren hatte der Zug Lauge geladen, doch später stellte sich heraus, dass die Waggons außer Stückgut wie Kaffee und Bier so gut wie leer war. Von den wenigen Liter Lauge, die sich noch darin befanden, ging keine Gefahr aus.
Die Anwohner sind stinksauer. „Wir leiden seit Jahren unter dem Zugverkehr. Früher waren es zehn Züge am Tag, jetzt zehn in der Stunde. Und nicht einmal Lärmschutzwände haben wir hier“, erzählt eine Frau. Ein Mann berichtet von Bittbriefen, die er an die Bahn und verschiedene Politiker geschrieben hat, mit Hinweis auf die Gefahr, die hier droht: „Niemand hat reagiert.“ S. Will