Guck: Zivilisations-Abfall

NÜRNBERG Während gestern Abend mit Teilen der Stadtspitze über Kunst im öffentlichen Raum und die Frage, ob die Nürnberger nicht einfach nur Kunstmuffel seien, diskutiert wurde, eröffnet heute die neue Schau von Martin Wöhrl im Neuen Museum. Und wirkt durch die riesige, gläserne Fassade des Architekten Volker Staab in den öffentlichen Raum hinein. Nach Katharina Grosse 2009 und Gerhard Mayer, der im letzten Jahr mit seiner 420 Quadratmeter großen Wandzeichnung begeisterte, ist Wöhrls riesige Fensterrose das dritte Werk in der Reihe „prospekt“, die auch den Klarissenplatz vor dem Museum mit einbezieht.
Was im Jahr 2009 längst überfällig war, ist also zu einer schönen, festen Einrichtung geworden, die, man sieht es fast 13 Meter (das ist in etwa Notre-Dame-Dimension) hoch, immer noch staunen lässt.
Der international agierende und Franken im Herzen tragende Wöhrl (er war unter anderem Stipendiat der Bamberger Villa Concordia) hat extra für die riesige Fassade eine kreisrunde, 12,80 Meter durchmessende, ornamentale Figur, „Maß und Werk“, geschaffen.
Die vereint, als Fassade hinter der Fassade, Bildende Kunst, Architektur und Kunsthandwerk. Dabei ist die Fensterrose aber nicht aus Stein gefertigt (wie man das, an fränkische Sandstein-Kirchen gewöhnt, erwarten würde) – sondern aus billigem Zivilisations-Abfall: gefundenen Türblättern. Die haben nämlich den Vorteil, dass sie genormt sind. Und so lassen sich die 80 bis 90 Türblätter relativ problemlos zusammensetzen und dann zersägen, zu diesem gleichzeitig ironischen und in seiner Wucht erschlagenden Werkstück im XXL.
Neben der Fassade bespielt Wöhrl noch zwei weitere Räume mit den Arbeiten „Cantina Sociale“ und „Klause“ und „DJ Strohhalm und Spooky“, zwei erneut ironisch an Weihnachts-Bastel-Arbeiten erinnernde, überdimensionierte Engelsfiguren aus Metallsstangen. Himmlisch.