Giftschlangen-Alarm im Bayerischen Wald: Größte Population Mitteleuropas entdeckt?
Lindberg - Im vergangenen November wurde die Kreuzotter zum Reptil des Jahres 2024 gekürt. In Deutschland ist die Giftschlange stark gefährdet. Dennoch haben Spaziergänger im Bayerischen Wald ganz gute Chancen, einer der seltenen Schlangen mit Zickzackband auf dem Rücken zu begegnen. Ein Team von Experten der Heinz-Sielmann-Stiftung entdeckte in der niederbayerischen Gemeinde Lindberg (Landkreis Regen) mehrere Exemplare der vom Aussterben bedrohten Schlangenart.
Forscher machen spektakulären Fund - Sieben Kreuzotter-Exemplare im Bayerischen Wald
Sieben dieser Schlangen ließen sich gerade auf einer trockenen Wiese die Sonne auf den Rücken scheinen, als sie von Jörg Müller, zuständig für das ökologische Monitoring der Heinz-Sielmann-Stiftung, und dem Kreuzotter-Experten Paul Hien aufgespürt wurden. Gemeinsam mit Bernhard Gohlke, dem Leiter von Sielmanns Biotopverbund Nordost-Bayern, fingen sie die Schlangen kurzerhand ein, um sie genauer zu untersuchen.
Die Reptilien wurden gemessen, gewogen, ihre Farbe und Schuppenzahl notiert und die Temperatur gemessen. Besonders spektakulär: Geschützt durch dicke Handschuhe manövrierte ein Experte dünne Wattestäbchen an den Zähnen der Giftschlangen vorbei in den Rachen, um Speichelproben für Gen-Tests zu entnehmen. Danach wurden die Schlangen sofort wieder freigelassen.
Die Auswertung der Daten wird zeigen, ob es sich im Gebiet des Bayerischen Waldes um eine große zusammenhängende oder mehrere kleinere Populationen handelt. "Eine Population wird darüber definiert, ob sich die Tiere untereinander paaren. Das ist sehr wichtig zu wissen, denn nur wenn wir die Ökologie der Kreuzotter wirklich verstehen, können wir sie wirksam schützen", erklärt Hien. Sollte sich herausstellen, dass es eine zusammenhängende Population ist, wäre dies die größte bekannte Mitteleuropas.
Paul Hien wurde vom Nationalpark Bayerischer Wald damit beauftragt, herauszufinden, wie es um die Kreuzottern in dem Schutzgebiet steht. Seit 2020 haben er und sein Team rund 180 Proben genommen. Auch die umliegenden Flächen sind interessant. Der angrenzende Naturpark in Niederbayern wird extensiv bewirtschaftet - das bedeutet, dass der Mensch nur minimal in die Natur eingreift.

Viele regionale Organisationen, wie der Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern (LBV) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) haben dort bereits Flächen gekauft und ökologisch aufgewertet. Auch die Heinz-Sielmann-Stiftung hat mit Unterstützung der höheren Naturschutzbehörde Niederbayerns erste Grundstücke erworben, um sie langfristig für den Naturschutz zu sichern.
"Bei der Fläche in Lindberg hat die Behörde den richtigen Riecher bewiesen", stellt Bernhard Gohlke fest. Das etwa drei Hektar große Grundstück wird nun renaturiert und gepflegt. Es wird ein Winterquartier für Schlangen aus Wurzelstöcken, Totholz und Steinen gebaut. "Schon auf kleinen Flächen wie dieser können sehr effiziente Maßnahmen getroffen werden", sagt Gohlke. Diese kleinen Trittsteine müssen über die Flächengrenzen hinaus geplant werden, nur dann machen sie Sinn. "Zusammen mit den vielen Partnern vor Ort können wir wirklich etwas bewirken", zeigt sich Gohlke zuversichtlich.
Bisse der Giftschlange sind für Menschen nur selten gefährlich
Die Kreuzotter ist leicht zu erkennen: Ihr Zickzackband auf dem Rücken und die senkrecht stehenden Pupillen sind markant. Weibchen können bis zu 90 Zentimeter lang werden und sind bräunlich gefärbt, während die bis zu 60 Zentimeter langen Männchen eher hell- bis silbergrau sind. Auf ihrem Speiseplan stehen Eidechsen, Frösche und Kleinsäugetiere. Ihre größten Feinde sind Wildschweine, Marder und Mäusebussarde.
"Die lebendgebärende Art hat das weltweit größte Verbreitungsgebiet aller Schlangen und besiedelt in mehreren Unterarten ein riesiges Gesamtareal in Europa und Asien", heißt es von der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT). Es reiche von England bis zur russischen Insel Sachalin. Neben der vom Aussterben bedrohten Aspisviper im Südschwarzwald ist die Kreuzotter die einzige Giftschlange Deutschlands.
Bissunfälle seien aber sehr selten und für gesunde Menschen kaum gefährlich oder tödlich. "Die Bisse können schmerzhaft sein und zu lokalen Symptomen wie Schwellungen führen", klärt die DGHT auf. Wichtig sei, ruhig zu bleiben und sich gegebenenfalls ärztlich behandeln zu lassen.
Die Schlange ist laut DGHT tagaktiv und vor allem in Moorgebieten, Waldrändern und Lichtungen zu finden. Wegen der intensiven Landwirtschaft und der Entwässerung der Moore schwindet aber ihr Lebensraum Experten zufolge. Forstwege und Straßen sind für sie schwer überwindbare Hindernisse, so dass sich die einzelnen Populationen nicht mehr miteinander mischen können.
Größere Kreuzotter-Bestände gebe es neben dem Bayerischen Wald im Norddeutschen Tiefland, in den östlichen Mittelgebirgen und in den Alpen oder dem Schwarzwald.
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