Grandiose Schreckenskomik

Burgtheater-Schauspieler Philipp Hochmair gastierte im Gostner Hoftheater – mit einer Solo-Bühnenvariante von Kafkas „Amerika“
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Philipp Hochmair brillierte im Gostner – mit Kafka.
Veranstalter Philipp Hochmair brillierte im Gostner – mit Kafka.

NÜRNBERG - Burgtheater-Schauspieler Philipp Hochmair gastierte im Gostner Hoftheater – mit einer Solo-Bühnenvariante von Kafkas „Amerika“

Seit zehn Jahren kommt der Schauspieler Philipp Hochmair in unregelmäßigen Abständen ans Gostner Hoftheater, um – immer schön portioniert in drei Vorstellungen – sein multimediales Solo „Werther“ zu zeigen. In dieser Zeit war er erst in Hannover, dann in Berlin und am Wiener Burgtheater. Egal, Gostenhof bleibt die Konstante. Jetzt ist er am Hamburger Thalia-Theater unter Vertrag, wo sein Solo nach Kafkas „Amerika“ (mindestens so gut gelungen wie der Goethe-Clip und ausgerechnet am 11.September uraufgeführt) entstand. Das Nürnberger Gastspiel (drei Aufführungen an zwei Tagen) könnte viele Wiederholungen bekommen.

Es ist ein Land der unbegrenzten Absturz-Möglichkeiten, in das der 17jährige Karl Roßmann von seinen Eltern abgeschoben wird. Durchzogen von einem Labyrinth schrecklicher, auch schrecklich komischer Depression, in dem jedermanns Hoffnungen zermahlen werden, sofern er nicht rechtzeitig das richtige Schlupfloch findet. Philipp Hochmair ist dieser großäugig auf die schaurig banale Welt schauende und in ihr verlorene Jüngling, aber auch Erzähler von Kafkas Roman-Fragment, und gleitet mit atemberaubendem Tempo über den Parcours der Charakterköpfe. Wie in einer öffentlichen Verbrüderung von Hör- und Schauspiel.

Das gläserne Gefängnis, das in der Hamburger Inszenierung diese Odyssee effektvoll umhüllt, wird beim Nürnberger Gastspiel einfach durch einen Stuhl ersetzt. Kein Problem, umso stärker ist die Konzentration auf die vielfach aufgespaltene, zum „Sittenbild“ verdichtete Darstellungskunst von Hochmair, der alle Schattierungen von Tragik und Komik wie im Extrakt bietet. Kafkas bedeutungsvoll dunkle Texte, seien wir ehrlich, glücken auf der Bühne eher selten. Aber hier ist, mit dem Groß-Gastspiel „Der Prozess“ neulich in Fürth und Tristan Vogts Figuren-Tischvorlage von „Das Schloss“ im Kunst-Kultur-Quartier (aparterweise ein Produkt von „Thalias Kompagnons“) durch das Hamburger Gastspiel aus einer Zufalls-Trilogie ein angemessen aberwitziges Kafka-Monument entstanden. Möge der großartige Hochmair, wo immer er künftig stationiert sein mag, neben dem „Werther“ nun zehn Jahre lang „Amerika“ nach Nürnberg bringen. Dieter Stoll

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.