Muss es immer Google Maps sein? Welche Alternativen es gibt und warum sie sinnvoll sind
Wie oft nutzen Sie Karten im Alltag? Wahrscheinlich ziemlich häufig. Ob zur Navigation im Auto, zu Fuß oder mit dem Rad, bei der Routenplanung in der MVG-App oder klassisch an der U-Bahnstation, um den richtigen Ausgang zu finden - Karten sind allgegenwärtig.
Und sie prägen nicht nur, was wir sehen, sondern auch, was uns verborgen bleibt.
So beeinflussen Karten unsere Wahrnehmung
Finn Dammann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geographie der Universität Erlangen, erklärt in der AZ, wie Karten unsere Wahrnehmung beeinflussen, welche Alternativen es zu Google Maps gibt - und warum wir uns trotzdem nur schwer davon lösen können.
Das Erstellen von Karten – das Kartieren – hat eine lange Tradition. In der frühen Neuzeit wurden sie vor allem von Staaten, Militärs und großen Handelsgesellschaften hergestellt, die dabei ihre politischen Interessen ins Kartenbild eintrugen.
Lange fehlten Darstellungen sozialer Gruppen oder wissenschaftlicher Perspektiven, die alternative Sichtweisen sichtbar machen, so Dammann.
"Kritisches Kartieren" - das steckt dahinter
Das änderte sich in den 1960er und 1970er Jahren, als erste Versuche unternommen wurden, Karten als kritische Werkzeuge zu nutzen und dominante Weltbilder zu hinterfragen. "Kritisches Kartieren" nennt sich das.

Die Disziplin hat seit den 2010er Jahren an Bedeutung gewonnen. Es entstanden Initiativen, die Unsichtbares sichtbar machen wollen und neue Vorstellungen von Gesellschaft kartografisch abbilden.
Ein Beispiel ist das Projekt "Mapping Postkolonial", das auf die postkoloniale Geschichte Münchens als abstrakte Karte zeigt. Kritische Karten werden oft als Bildungsinstrumente verwendet und dienen weniger der Orientierung. Sie wollen "bestehende kartografische Vorstellungswelten" hinterfragen, sagt Dammann. (Hier geht es zum Angebot "Mapping Postkolonial".)
Christliche Kirchen werden markiert, Moscheen häufig nicht
Auf klassischen Karten bleibt vieles außen vor. Ein Beispiel: Christliche Kirchen werden mit einem Kreuz-Symbol gekennzeichnet, Moscheen oder andere Glaubenseinrichtungen werden deutlich seltener abgebildet. Das könne als "kartografisches Schweigen bezeichnet werden", so Dammann.
Es präge die "Art und Weise, wie wir eine Stadt wahrnehmen". Karten vermittelten den Eindruck, dass das, was wir sehen, "wie ein Naturgesetz" sei. Dem sei nicht so, sagt Dammann.
Auch digitale Karten nutzen meistens "diese alte Sprache der Weltdarstellung, wo bestimmte Dinge sichtbar und unsichtbar gemacht werden". Hinzu kommt bei Diensten wie Google Maps, dass die angezeigten Stadtpläne personalisiert, also auf den jeweiligen Nutzer zugeschnitten werden. Faktoren wie Sprache, Aufenthaltsort, Suchverhalten und Uhrzeit beeinflussen, welche Orte dem Nutzer angezeigt werden.
Das sei zwar praktisch, aber auch problematisch: "Google entscheidet für uns, was wir sehen und was nicht", so Dammann. "Und damit ist uns vielleicht auch gar nicht klar, was wir übersehen und was uns gar nicht angeboten wird."
Das sind Alternativen zu Google Maps
Trotzdem ist Google Maps für viele unverzichtbar geworden, besonders im Bereich der Navigation. Dammann bezeichnet den Dienst als "die digitale Infrastruktur der Navigation, der Mobilität, der Logistik - in Deutschland, Europa, weltweit".
Es gibt jedoch Alternativen. OpenStreetMap (OSM) ist eine offene Geodatenbank, die gemeinschaftlich gepflegt wird. Dammann nennt sie die "Wikipedia der Geodaten". Hunderte Menschen allein in Bayern produzieren mithilfe von GPS-Daten, Satellitenbildern und lokalem Wissen Kartenmaterial, das allen frei zur Verfügung steht, ohne persönliche Daten abzugreifen.

OSM wird häufig von Verkehrsunternehmen im ÖPNV-Bereich sowie von Akteuren aus Freizeit, Tourismus, Stadt- und Regionalplanung verwendet. Navigationsapps wie "Osmand" basieren auf diesen Daten.
Die "Wheelmap" nutzt sie, um barrierefreie Orte zu kennzeichnen. Ein jüngeres Beispiel aus München ist das "Boaznradar". Die interaktive Karte, die auf OSM-Daten basiert, zeigt die traditionellen Münchner Kneipen inklusive Preis und Sorte des günstigsten Bieres.
Dammann glaubt, dass solche Karten ein Stück weit helfen können, Sichtbarkeit etwa für kulturelle Orte zu schaffen. Die Orte bleiben in unserem visuellen Gedächtnis und somit steige die Wahrscheinlichkeit, dass man die Boazn zum Beispiel besucht, wenn man in der Gegend ist.
Die Reichweite derartiger Projekte bleibe aber begrenzt. Es käme darauf an, wie viele Menschen diese Karten nutzen und wie sichtbar die Karten im Alltag sind. Denn auch hier dominiert Google.
Dieser Dienst erfasst kaum Daten
Selbst große Unternehmen wie Meta, TomTom und Amazon Web Services versuchen inzwischen, mit der "Overture Maps Foundation" auf Grundlage von OpenStreetMap-Daten einen eigenen, freien Kartendienst zu etablieren. "Es ist ein umkämpftes Feld", sagt Dammann.
Für ihn ist klar: Es braucht sowohl politische Regulierung als auch "ein größeres Bewusstsein über die eigene digitale Souveränität". Nutzer müssten selbst entscheiden, ob sie damit einverstanden sind, dass Google ihre Daten sammelt.
Wer das nicht möchte, könne auf alternative Dienste wie "Osmand" umsteigen, die kaum Daten erfassen.
Gleichzeitig werde sich ohne politische Eingriffe wenig an der Vormachtstellung von Google Maps ändern. Der Dienst habe einen deutlichen Marktvorteil - auch wegen der Masse an Nutzerinnen und Nutzern sowie der damit verbundenen Live-Daten.
"Ich würde es schon im Bereich einer Monopolstellung sehen", sagt Dammann. Es brauche politische Regulierung, die Alternativen stärkt und Monopole einschränkt.