Gerichtsprozess: Vorbestrafter misshandelt Freundin jahrelang

Eine Frau fühlt sich im Stich gelassen, weil die Justiz jahrelang nichts gegen ihren gewalttätigen Mann unternimmt. Die Gründe.
Helmut Reister |
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Der Mann misshandelte seine Freundin - auch ganz öffentlich auf dem Hof des Wohnkomplexes. (Symbolbild)
Karl-Josef Hildenbrand/dpa Der Mann misshandelte seine Freundin - auch ganz öffentlich auf dem Hof des Wohnkomplexes. (Symbolbild)

Nürnberg - Ein Mann schlägt seine Lebensgefährtin, überwacht sie mit einer Kamera, hält ihr eine Pistole an die Schläfe, zertrümmert ein Notebook auf ihrem Kopf, bricht ihr die Nase. Hinter Gitter kommt er deswegen nicht – erst, als er versucht, ein Fahrrad zu stehlen.

"Dieser Fall macht mich wütend", sagt Rechtsanwalt Nils Junge, der die Frau vertritt. Sein Blick richtet sich dabei auf ein wirres Verfahren der Staatsanwaltschaft, das vier Abteilungen beschäftigte, sich Jahre hinzog und mit einer "gebremsten" Anklage aufwartete. Jetzt ist das Urteil gefallen, vier Jahre Haft ohne Bewährung.

Neben ein paar geringfügigeren Diebstählen und dem Besitz eines verbotenen Schlagrings taucht in der Anklageschrift lediglich der brutale Kopfstoß auf. Alle anderen Delikte, die das Opfer schildert, verfolgte die Staatsanwaltschaft nicht. Antje Gabriels-Gorsolke, von der Nürnberger Staatsanwaltschaft, sagt: "Wir haben uns auf diesen Vorgang beschränkt, weil er eindeutig war und wir das Verfahren möglichst schnell durchziehen wollten."

Für Rechtsanwalt Nils Junge ist das nicht akzeptabel: "Wenn sich jemand im Hof des Wohnkomplexes hinknien muss, eine Waffe an den Kopf gehalten bekommt und Todesangst hat und die Staatsanwaltschaft so etwas einstellt, ist das schon bemerkenswert."

Das Opfer flüchtet in ein Frauenhaus

Bemerkenswert fand der Richter, dass der Gewalttäter mit 22 Vorstrafen zum Zeitpunkt der Misshandlungen im Jahr 2014 überhaupt noch auf freiem Fuß war. Seine Einträge im Bundeszentralregister seien "so dick wie der Roman Krieg und Frieden", wird der Richter von der lokalen Presse zitiert.

Die Frau (34) flüchtet im Dezember 2014 mit der Tochter in ein Frauenhaus und erwirkt ein Kontaktverbot. Ein paar Wochen später steht der Mann mit einem Messer vor der Tür. Die Frau geht zur Polizei. Das Protokoll, in dem sie die Übergriffe schildert, umfasst 15 Seiten und reicht für einen Haftbefehl aus. Doch der Ermittlungsrichter setzt den wieder außer Vollzug – wie schon einmal zwei Monate vorher. Erst der Versuch, ein Rad zu stehlen und das Schießen mit einer Schreckschusswaffe bringen das Fass zum Überlaufen. Seit Sommer 2016 sitzt der Mann hinter Gittern. Über die Hälfte seiner Strafe hat er durch die U-Haft schon abgesessen.

Vom Verlauf der Ermittlungen, der dafür sorgte, dass das Opfer zwei Jahre mit der Angst leben musste, dem gewalttätigen Mann zu begegnen, zeigt sich im Nachhinein auch die Staatsanwaltschaft nicht begeistert. Die Zusammenfassung verschiedener Verfahren in verschiedenen Abteilungen habe zu unerwarteten Verzögerungen geführt, sagt Gabriels-Gorsolke nun mit Bedauern.

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