Gericht prüft Hauptindiz im Ursula-Herrmann-Prozess
AUGSBURG - Es wird spannend im Prozess um die Entführung der kleinen Ursula: Nach zehn Monaten Verhandlung geht es um ein Hauptindiz der Staatsanwaltschaft, mit dem der Angeklagte überführt werden soll.
Im Prozess wird es jetzt um das 2007 bei dem 59-jährigen Angeklagten bei einer Hausdurchsuchung gefundene Tonband gehen. Eine Sachverständige vor dem Landgericht auftreten, die erklären soll, ob - wie es die Anklage behauptet – an dem Gerät und den mitgeschnittenen Erpresseranrufen von 1981 identische Spuren vorhanden sind. Sollte sich das unumstößlich beweisen lassen, wäre das eine schwere Belastung für den Beschuldigten, der seit Prozessbeginn schweigt.
Vor 28 Jahren war die zehnjährige Ursula bei Eching am Ammersee entführt und in eine im Wald vergrabene Kiste gesperrt worden, in der sie wenige Stunden danach erstickt war. Trotzdem gingen bei den Eltern von Ursula Tage danach Erpresserbriefe ein und die ominösen Erpresseranrufe. Insgesamt waren es neun solcher „Schweige-Anrufe“. Jedesmal, wenn in der Wohnung von Ursulas Eltern das Telefon abgenommen worden war, ertönte die damalige Erkennungsmelodie des Hörfunksenders Bayern 3, danach 30 Sekunden Stille – dann wurde aufgelegt.
Diese Schweigeanrufe mit dem B 3-Erkennungssignal sollen mit dem Tonband gemacht worden sein. Experten vom Bayerischen Landeskriminalamt haben das Gerät akribisch untersucht und wollen die Spuren gefunden haben, die zu den Mitschnitten der Anrufe passen. Das Gericht unter Vorsitz von Wolfgang Rothermel hat drei Verhandlungstage anberaumt, um der Sachverständigen die nötige Zeit zu geben, die technischen Untersuchungen bis in die letzte Einzelheit darzulegen. Dabei wird es um Frequenztabellen und zuzuordnende Zeitintervalle gehen, akustische und technische Auffälligkeiten, die sich möglicherweise ergänzen.
Für das Gericht ist entscheidend, ob durch das Sachverständigengutachten entweder auszuschließen ist, dass das betreffende Tonband infrage kommt, ob es wahrscheinlich ist, dass von diesem Gerät die Signale bei den Anrufen gemacht wurden, oder ob mit Sicherheit gesagt werden kann: die erpresserischen Schweigeanrufe und dieses Tonband gehören eindeutig zusammen. Für die Staatsanwaltschaft steht viel auf dem Spiel. Für sie ist das Tonband das Hauptindiz. Sollten Zweifel am Zusammenhang von Tonband und den Schweige-Anrufen auftauchen, würde die Anklage schwer erschüttert.
Die Verteidigung des Angeklagten, der mit seiner Ehefrau wegen erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge vor Gericht steht, wird alles versuchen, um Zuordnungen zu dem Tonbandgerät infrage zu stellen. Dabei kann sie sich sogar auf Einlassungen von Ursulas Bruder als Nebenkläger beziehen, der sich als Musikexperte mit den akustischen Besonderheiten der Erpresseranrufe befasst hat und zu dem Ergebnis kommt, die vom Landeskriminalamt geschilderte Sachlage erscheine „freundlich ausgedrückt, als merkwürdig“.
Der Angeklagte selbst beharrt auf seiner Behauptung, er habe das Spulentonband erst 2007 auf einem Flohmarkt erstanden. Intensive Nachforschungen der Polizei hatten aber für diese Darstellung keine Beweise liefern können. Weder der Verkäufer wurde ausfindig gemacht, noch ein Flohmarktbeschicker, an dessen Notstromaggregat der Angeklagte das Gerät getestet haben will. Zur Tatzeit 1981 habe er kein vergleichbares Tonband besessen, beteuert der Beschuldigte. Das hätten die damaligen mehrmals durchgeführten Haus- und Werkstattdurchsuchungen bestätigt.
dpa
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