Gequältes Tier
Ein Unternehmen in Franken handelt u. a. mit todgeweihten Mäusen – auch die Uni Erlangen ist hier Kunde. "Eine Studie entlarvt den Tierversuch einmal mehr als das, was er ist: gefährlicher, wissenschaftlicher Unsinn, dem Millionen von leidensfähigen Mitgeschöpfen zum Opfer fallen, sowie eine immense Verschwendung von Steuergeldern.“
NÜRNBERG Eingebettet zwischen den letzten Ausläufern der Haßberge liegt die kleine Gemeinde Sulzfeld (Kreis Rhön-Grabfeld). Auf den ersten Blick könnte man der Kommune dafür gratulieren, dass der weltweit agierende Konzern „Charles River Laboratories“ ausgerechnet hier eine seiner Filialen errichtet hat. Doch der Diskretion, auf die die Manager so großen Wert legen, tut die Abgeschiedenheit nur gut. Das Unternehmen, das von den USA aus gesteuert wird, handelt mit todgeweihten Tieren. Versuchstieren.
Ein sinnloser Tod?
Die AZ stieß bei Recherchen auf einen Katalog, der für die Öffentlichkeit nicht bestimmt sein dürfte – und jedem Tierliebhaber schwer zu kauen gibt. Auf 68 Seiten werden darin die „Produkte“ von „Charles River“ angepriesen: Kaninchen, Mäuse, Ratten, Meerschweinchen, auf Anfrage auch andere Tiere. Den jeweiligen Zustand und die Anzahl der Kreaturen, die in sterilen Räumen zu Tausenden gezüchtet werden, kann der Kunde bestimmen. Braucht er hochschwangere Kaninchen oder genmanipulierte Mäuse, mit künstlich ausgelösten Krebsgeschwüren versehene Hamster oder Rennmäuse ohne Nieren? „Charles River“ liefert prompt und zuverlässig. Zu den Kunden des Konzerns, der im Allgäu auch noch seine zweite Deutschland- Niederlassung betreibt, gehören auch die Universitäten in Erlangen, Würzburg und Regensburg, die aus Kostengründen aber auch eigene Versuchstiere züchten. Der Verschleiß im Namen der Wissenschaft ist gewaltig. Allein die Uni in Erlangen setzt bei Experimenten jährlich rund 25 000 Tiere ein, die zum größten Teil auf dem Seziertisch landen. Ein sinnloser Tod?
Das glauben inzwischen sogar viele Ärzte und Wissenschaftler, die Zweifel daran haben, dass sich mit Hilfe von Versuchstieren medizinischer Fortschritt beim Menschen erreichen lässt. Dr. Corinna Gericke vom bundesweiten Verband „Ärzte gegen Tierversuche“ bezieht sich auf eine britische Studie, in der die Nutzlosigkeit von medizinischen Tierexperimenten untermauert wird: „Die Studie entlarvt den Tierversuch einmal mehr als das, was er ist: gefährlicher, wissenschaftlicher Unsinn, dem Millionen von leidensfähigen Mitgeschöpfen zum Opfer fallen, sowie eine immense Verschwendung von Steuergeldern.“
Keine Versuchsreihe hatte einen Nutzen
Genau zum gleichen Ergebnis gelangt auch der Nürnberger Manfred Völkel, der in der Ethikkommission er Regierung von Unterfranken sitzt, wo Tierversuche der Universitäten genehmigtwerden müssen. Völkel: „Die Analyse der Experimente über einen Zeitraum von 15 Jahren hat gezeigt, dass keine einzige Versuchsreihe irgendetwas Nützliches für den Menschen gebracht hat.“ Zweifel an der Notwendigkeit von Tierexperimenten, die nach Meinung vieler Wissenschaftler längst durch effektivere Methoden ersetzt werden könnten, regen sich inzwischen bereits auf höchster politischer Ebene. EU-Kommissar Günther Verheugen hat bereits die Absicht kundgetan, auf ein generelles Verbot hinzuarbeiten.
Doch noch liefert die gegenwärtige Gesetzeslage einer Firma wie „Charles River“ die legitime Geschäftsgrundlage. Mäuse gibt es laut Katalog ab 2,81 Euro das Stück. Richtig teuer wird es allerdings, wenn die Kunden spezielle Dienste des Konzerns in Anspruch nehmen. Er liefert was des Wissenschaftlers Herz begehrt: Zum Beispiel Tiere, denen die Hirnanhangdrüse, die Leber oder die Nieren operativ entfernt wurden, denen Kanülen ins Gehirn gelegt wurden, oder an operativ ausgelösten Herzbeschwerden leiden. Die Eingriffe, die im Einzelfall mehrere Hundert Euro kosten können, nimmt „Charles River“ aufgrund einer großzügigeren Gesetzeslage in Frankreich vor. Von dort werden die Tiere wieder zurück transportiert. Allein bei diesem Procedere sterben nach Einschätzung von Tierschützern unzählige Lebewesen. „Charles River“ schirmt sich in Sulzfeld von der Außenwelt ab. Neugierige Journalisten haben keinen Zutritt in die Labors des Unternehmens.
HelmutReister
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