Geldautomaten-Sprengungen in Deutschland: Die neue Art des Banküberfalls
Seit 20 Jahren knallt es nachts in manchen deutschen Banken. An Geldautomaten wird Sprengstoff gezündet. Was früher der Banküberfall war, ist heute offenbar die Sprengung von Geldmaschinen, seit Sicherungssysteme und Zeitschlösser fast jeden Banküberfall sinnlos machen.
Die Gewalt an den Automaten scheint sich weiterhin zu lohnen, auch wenn Banken nachgebessert haben. "Moderne Geräte können sie kaum ausräumen", sagt Stefan Ludl, Kriminaldirektor des Dezernats G2 beim Landeskriminalamt, bei einem Pressegespräch.
"Die Tat dauert keine fünf bis sechs Minuten"
Im Münchner Stadtgebiet ist bisher kein Fall bekannt. Bis zu sechsstellige Summen erbeuten Täter, am liebsten an etwas abgelegenen Orten, im Optimalfall direkt an Schnellstraßen, zuletzt in Bad Wörishofen, aus dem Automaten der dortigen Therme. Die Täter brachen den Automaten diesmal auf und verzichteten auf Sprengstoff.
"Fünf bis sechs Minuten dauert es von der Sprengung bis zur Flucht", sagt Ludl. Das ist wohl auch der Grund, weshalb die Räuber schwer zu fassen sind. Die allerersten Täter kamen aus den Niederlanden. "Dort gibt es bis heute Trainingsanlagen, oft in verlassenen Fabrikhallen", sagt Ludl.
In Bayern wurde zuletzt in Eppishausen gesprengt, am 12. November. Meist wird dabei ein Blitzknallsatz gezündet, angemischt aus "delaboriertem" Schwarzpulver. Auch Gasgemische kamen oft zum Einsatz. Die Erfahrung der Behörden zeige jedoch, dass aber seit 2020 fast nur noch das Schwarzpulvergemisch zum Einsatz kommt.
"Crime as a Service", die Täter lassen sich auch für andere Straftaten rekrutieren
Etwa 85 Prozent der Taten in Bayern wurden laut Landeskriminalamt mit dem Schwarzpulver durchgeführt. Die Dosierung ist nicht einfach. "Nimmt man zu viel, verwindet sich der Automat und sie können die Kassetten nicht herausziehen", so Ludl. Nehme man zu wenig, bleibe das Gerät verschlossen.
"Die Täter gehen extrem arbeitsteilig vor", sagt Ludl. "Crime as a service", nennt er das. Es gebe Täter, die ausschließlich das Fluchtauto fahren, sich nur mit der Sprengung beschäftigen oder die Objekte ausspähen, "manchmal mit einer Kamera im Knopfloch", sagt Ludl. "Crime as a service" bedeute aber auch laut Ludl, dass derselbe Fluchtfahrer sich für eine völlig andere Tat erneut rekrutieren lasse, die mit Geldautomaten nichts zu tun hat.
Die Fluchtautos sind hochmotorisiert und gepackt bis unters Dach mit vollen Benzinkanistern
Deutschlandweit betrug der Höchststand der Automaten-Sprengungen 496 Fälle im Jahr 2022. Das ist also mehr als eine Sprengung pro Tag. Die Tatbeute schwankte in den Jahren 2022 und 2025 zwischen 1,1 (2023) und 3,1 Millionen Euro (2022).
Die Täter verwenden dabei vorzugsweise Fluchtfahrzeuge mit 300 oder 500 PS, um sich im Ernstfall einer Verfolgungsjagd aus dem Staub machen zu können. Doch das gehe manchmal auch ohne Verfolgung der Polizei schief. Hin und wieder verunfallen die Täter, landen im Graben oder stoßen frontal mit völlig Unbeteiligten zusammen und verletzen sie schwer.
Geldautomaten-Sprenger fahren nicht an Tankstellen
Solch ein Fall stammt vom 10. März 2024. Vier Automatensprenger verunfallten nach einer Tat in Oberfranken. Sie konnten in Thüringen festgenommen werden. Das Landgericht Hof verurteilte die Männer zu drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe.
Hinzu kommt, dass die Fahrzeuge oft voll beladen sind mit Gefahrenstoffen. Nicht nur, dass die Täter Sprengstoff für die Geldautomaten mitführen, sie haben häufig auch den Kofferraum voll mit gefüllten Benzinkanistern, um nicht an Tankstellen tanken zu müssen und somit nicht in den Sicherheitskameras der Tankstellen landen.
Auch aus osteuropäischen Ländern stammen inzwischen offenbar viele Täter. Sie verfügen laut Ludl in manchen Fällen über den Militärsprengstoff TATP (Acetonperoxid), der deutlich mehr Sprengkraft hat als das herkömmliche Schwarzpulver-Gemisch. Die Herstellung ist wohl nicht ganz so einfach. Dennoch kann man die Bestandteile dafür im Grund in jedem Baumarkt kaufen.
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