Geheimplan: Nürnbergs Schüler dürfen länger schlafen
Ausgeschlafen! Der Unterricht beginnt erst um 8.45 Uhr. Vorbild ist ein Pilotprojekt im Landkreis Forchheim
NÜRNBERG Die Nürnberger Schüler dürfen künftig länger ausschlafen! Im Rathaus gibt es den Geheimplan, den Beginn der Schule von 8 auf 8.45 Uhr zu verlegen. In anderen Orten, zum Beispiel im Landkreis Forchheim, ist diese ausgeschlafene Regelung schon seit drei Jahren Realität. „Mit großem Erfolg“, so der dortige Schulrat Gerhard Koller zur AZ. Auch für Nürnberger Schulen könnte das eine Lösung sein. Schulbürgermeister Klemens Gsell (CSU), die Mitglieder des Schulausschusses und die Chefs der Schulverwaltung informieren sich in der nächsten Woche vor Ort.
„Das ist nicht nur ein Modell für kleine Schulen“, erläutert Koller. „Auch in Großstädten wie in Nürnberg kann eine Tagesschule nach unserem Vorbild realisiert werden.“ Denn der späte Schulbeginn ist nur ein Teil des Modellprojekts „Tagesschule“, das seit drei Jahren erfolgreich in der Grundschule von Wiesenthau (1700 Einwohner) am Walberla ausprobiert und inzwischen in weiteren Schulen des Landkreises Forchheim umgesetzt wird.
Und so sieht ein Tag in der Grundschule Wiesenthau aus: Der Unterricht beginnt um 8.45 Uhr. Bis zur Mittagspause finden vier Schulstunden statt, die von einer Ess-, Spiel- und Bewegungspause unterbrochen wird. Dann folgt eine einstündige Mittagspause. Hier wird in der Schule für Kinder und Lehrer ein gemeinsames Essen angeboten. Die Kinder können in dieser Zeit aber auch nach Hause gehen.
Vor der fünften und sechsten Unterrichtsstunde am Nachmittag ist nochmals Bewegung angesagt. Um 14.30 Uhr ist dann Schulschluss. „Es besteht aber auch die Möglichkeit einer weiteren Nachmittagsbetreuung“, erklärt Schulrat Koller.
Und nennt die Vorteile: Es werden keine zusätzlichen Lehrerstunden benötigt, weil die sechs Schulstunden nur anders über den Tag verteilt sind. Für die Lehrer beginnt der Tag viel ruhiger, auch wenn er am Nachmittag etwas länger dauert.
„Vor allem aber kommen die Kinder viel ausgeruhter in den Unterricht“, verweist Koller auf Studien des Regensburger Schlaf-Forschers Prof. Jürgen Zulley. Der hat festgestellt, dass sich der Lebensrhythmus von Schülern in den letzten Jahren verändert hat. Sie gehen später ins Bett und müssten deshalb auch länger ausschlafen. Das Fazit des Forschers: Der Lerneffekt in der ersten Unterrichtsstunde ist fast gleich Null!
Für alle Schüler, die über die Mittagszeit betreut werden, zahlt das Kultusministerium Zuschüsse. „Das sind 3000 Euro pro Gruppe“, sagt Koller. Mit diesem Geld finanziert er eine Frühbetreuung für Kinder berufstätiger Eltern ab 8 Uhr. „Da ist die Turnhalle offen und wir haben Mütter angestellt, die die Gruppe betreuen.“
Bei den Eltern, ohne deren Zustimmung die Tagesschule nicht funktioniert, kommt das Projekt sehr gut an. Auch Lehrer und Schüler sind nach Kollers Worten begeistert.
Im Nürnberger Schulreferat wird die Tagesschule als „kreatives Schulkonzept“ vor allem für die Schulen am Stadtrand gesehen.
Michael Reiner
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