Gefühl mit Rutschbahn

Nürnberg kann eine neue Entdeckung feiern: Die Aufführung „melankomisch MOVES“ von Ausnahmetalent Sebastian Eilers in der Tafelhalle ist eine voller Erfolg.
Drei Ölfässer und ein breites Brett ergeben die Rampe, hinter der sich ein DJ eingenistet hat. Das ist gleichzeitig das Bühnenbild von Karin Stephany, die zentrale Anlauf- und Abrutsch-Stelle, an der Setanztheater-Choreograph Sebastian Eilers in der Tafelhalle seine „melankomischMOVES“ ausbreitete. Stimmungs-Kontraste werden da verwoben, Schwer- und Übermut liegt auf beiden Seiten einer Medaille, die immer wieder prüfend in die Luft geworfen wird und in den allerbesten der vielen guten Augenblicke auf dem Rand rotieren lernt. Eine absolut erstaunliche Aufführung.
Ausnahmetalent lang unbemerkt
Manchmal dauert es eben etwas, bis Ausnahmetalent bemerkt wird. Serbastian Eilers, der als Tänzer u.a. beim Bonner Projekt des Ex-Nürnbergers Pavel Mikulastik dabei war, lebt schon seit 2003 hier. Er hat sich von der Fürther Grünen Halle („homerun“) über die Tafelhalle („Hahn unter der Haut“) bis zur Luisenburg („Bernauerin“) ein fränkisches Repertoire gebastelt. Durch das neue Stück, das die Erfahrung eines Tänzer-Lebens mit dem Drang zu eigener Bewegungs-Sprache multipliziert, ist der 37-Jährige zur festen Größe der Szene geworden. Das Ringelschwänzchen-Solo für Kinder, „Mein Schweineleben“, in Kürze beim „Panoptikum“Festival, belegt die Vielseitigkeit.
Eilers schickt für „melancholischMOVES“ die japanische Tänzerin Chizu Kimura und ihren britischen Kollegen Jonathan Buckels durch wettersturzartig wechselnde Gefühlswelten, in denen mit Ballett-Formalien ebenso souverän gespielt wird wie mit Comedy-Querschlägern und Poesie-Versenkung. Auch Schauspielerin Michaela Domes ist großartig als Zaungast-Integrationsmodell, wenn sie vor Chansonettigkeit strotzend „Sehnsucht nach dem Traurigsein“ reinträllert, schweißtreibender Aktion schnatternd ein Lyrik-Lüftchen zufächelt und triumphierend in den Sog der Schrittwechsel springt. Da war Mechthild Großmann bei Pina Bausch immer schluchzend zur Seite getreten.
Das Eilers-Stück verknetet die Elemente und lässt sie ohne tanztheatralische Verschwurbelungen auf sprudelndem Erzählstrom schaukeln. Dass selbst Live-Musiker Andreas Usenbenz am Ende in die Tanz-Pose hoppst, ist die wunderschöne Logik eines grenzenlos phantasiebegabten Abends. Er wird hoffentlich bald wiederkehren im Tafelhallen-Spielplan.
Dieter Stoll