Geblendetes Wunderwerk

Der Dürerweg- Minicomputer erweist sich als Flop – auch beim AZ- Selbstversuch. Wie gut, dass Nürnberg schon einen Aufbewahrungsort für derartige Relikte besitzt...
von  Abendzeitung
Wie Sie sehen, sehen Sie nichts: Der PDA-Führer entlang des Dürerwegs lässt sich nur im Vollschatten richtig nutzen, wie AZ-Reporter Georg Kasch erleben durfte.
Wie Sie sehen, sehen Sie nichts: Der PDA-Führer entlang des Dürerwegs lässt sich nur im Vollschatten richtig nutzen, wie AZ-Reporter Georg Kasch erleben durfte. © Berny Meyer

NÜRNBERG - Der Dürerweg- Minicomputer erweist sich als Flop – auch beim AZ- Selbstversuch. Wie gut, dass Nürnberg schon einen Aufbewahrungsort für derartige Relikte besitzt...

Viele Wege führen durch Nürnberg — und bei Touristen mitunter zu Verwirrungen. Deshalb hatte Kulturreferentin Julia Lehner vor vier Jahren die Idee, zwischen Dürerhaus und Germanischem Nationalmuseum einen roten Faden für die Kunst- und Renaissance-Personality-Pilger auszulegen. Passend präsentierte Nürnberg eine Weltneuheit: einen PDA (Persönlicher Digitaler Assistent) als erstes audiovisuelles Führungssystem unter freiem Himmel.

Ganz so neu war die Erfindung schon damals nicht, lediglich die Weiterentwicklung eines Minicomputers, auch Palm genannt, der heute von Multifunktionshandys ersetzt wird. Haben sich die Fremdenführer zum Umhängen vier Jahre nach ihrer Einführung tatsächlich bewährt?

Um sich einen PDA im Dürerhaus oder im Germanischen Nationalmuseum auszuleihen, braucht man Bares sowie seinen Personalausweis, der als Sicherheit kopiert wird. Auch zu spät sollte man nicht starten: Bis 15 Uhr nur bekommt man das Gerät, bis 16.45 Uhr muss es an einem der beiden Standorte wieder abgegeben sein. 12 Euro kostet der Spaß, für die man auch Dürerhaus und Germanisches Nationalmuseum besichtigen kann, sowie 20 Euro Pfand.

Dann geht’s los: Der Fujitsu Siemens Pocket LOOX 610 erklärt sich selbst, und das auf Deutsch und Englisch — wenn die klapprigen Kopfhörer sitzen und nicht gerade einen Wackelkontakt haben. Danach führt das Gerät in das Phänomen Dürer ein und Raum für Raum durch das Dürerhaus.

Einer der PDA-Vorteile: Man kann, anders als bei einem Fremdenführer, Informationen überspringen oder wiederholen. Elf Stationen kommen auf dem Dürerweg zusammen, auf denen man mit Informationen zu Künstlerleben und -werk gefüttert wird: so am Dürer-Platz über die Verehrung des Malers und Grafikers im 19. Jahrhundert, in der Sebalduskirche über Dürers Religiosität, in der Winklerstraße über seine Kindheit.

Wo wenig Originales geblieben ist, wie beim Geburtshaus oder der Rathausbemalung, helfen historische Bilder und Rekonstruktionen. Bei anderen Stationen wie der Maxbrücke lässt sich der Blick Richtung Kettensteg mit einer Skizze Dürers vergleichen. Zugleich ist das Gerät Stadtplan und Orientierungshilfe.

Dennoch ist der PDA ein Flop. 2005 wurden die 50 Geräte insgesamt 300 Mal ausgeliehen, in den Folgejahren waren es noch die Hälfte. „Auch 2008 werden es wohl nur 150 Ausleihen werden“, schätzt Lothar Krauser, Leiter des Referats Programmbudget im Germanischen Nationalmuseum.

Bei Anschaffungskosten von 120 000 Euro sind diese Zahlen kläglich. Zwar haben Spenden von Institutionen und Firmen 2004 einen Großteil der Summe übernommen. Dennoch erscheint vor diesem Hintergrund die Einschätzung Reiner Sikoras vom Kulturreferat der Stadt, dass sich städtische Investitionen und Einnahmen mittlerweile ausgleichen, unwahrscheinlich.

Warum das technische Wunderwerk ein Ladenhüter ist, stellt sich beim Testlauf durch die Stadt heraus. Man bewegt sich autistisch im öffentlichen Raum, ganz aufs Zuhören konzentriert. Sobald ein Auto vorbeifährt, sucht man den Lautstärkeknopf. Ziemlich vergeblich. Zwei Touch-Screen-Ebenen muss man schaffen, um zur Regulierung zu gelangen. Da heißt’s: Zurück auf Los!

Der größte Nachteil aber: Man erkennt nur dann Farben und Formen genau, wenn man sich im Vollschatten befindet. Auch ein Abschirmen mit der Hand nützt wenig. So werden die Vorteile des PDA gleich wieder zunichte gemacht. Der Zahn der Zeit tut sein übriges: Im Saarland gibt es seit Juli eine Museumsführung via Handy. Lange wird es nicht dauern, dann ist die PDA-Technik auch als Stadtführer komplett überholt. Wie gut, dass Nürnberg schon einen Aufbewahrungsort für derartige Relikte besitzt: das Museum Industriekultur. Georg Kasch

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