Fußball-Skandal: Nürnberger Wett-Pate packt aus!
Marijo C. (35) sitzt seit über einem Jahr in U-Haft. Im Frühsommer findet der Prozess gegen ihn statt. Der Kroate kontrollierte mehrere Wettbüros in Nürnberg – und machte dabei Millionen-Umsätze
NÜRNBERG Die lange U-Haft hat ihn wohl mürbe gemacht. Jetzt packt Marijo C. (35) aus – und das Zockermilieu zittert! Der in Nürnberg lebende Kroate, der im November 2009 festgenommen wurde, ist nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft einer der maßgeblichen Drahtzieher im größten Wettskandal der Fußballgeschichte. Im Sommer soll der Prozess gegen den „Paten“ stattfinden.
Nur mit einem umfassenden Geständnis kann Marijo C. die Richter milder stimmen. Das weiß er. Deshalb hat er in stundenlangen Vernehmungen den Ermittlern seine Rolle im Netzwerk der internationalen Wettmafia dargelegt: Wie er Spieler und Schiedsrichter bestach, mit wem er kooperierte, wohin die Gelder flossen, wie das weltweite Geschäft funktioniert.
Spielraum bei seinen Aussagen bleibt Marijo C. nicht. Der Kassier eines Nürnberger Wettbüros, mit dem er eng zusammenarbeitete, hat die Seiten gewechselt, steht den Behörden als Kronzeuge zur Verfügung. Er hat schon vor Monaten alles erzählt, was er über Marijo weiß.
Auch FIFA-Schiedsrichter wurden bestochen
In einem Prozess gegen vier Mitglieder der Wettmafia, der derzeit in Bochum läuft, musste Marijo C. jetzt als Zeuge aussagen. Er nahm kein Blatt vor den Mund, gewährte tiefe Einblicke ins Zockermilieu – und belastete sich dadurch selbst. So gab er zum Beispiel zu, dass er vor dem DFB-Pokalspiel VfB Speldorf gegen Rot-Weiß Oberhausen (0:3) drei Spieler des Außenseiters bestochen habe, um den Ausgang des Spiels zu manipulieren. Mit Geld in fünfstelliger Größenordnung, so seine Aussage, habe er zusammen mit einem Komplizen auch die FIFA-Schiedsrichter Novo Panic (Bosnien-Herzegowina) und Oleg Orijechow (Ukraine) bestochen. Den Ermittlungen zufolge war Marijo C. an der Manipulation von über 200 Fußballspielen in ganz Europa beteiligt.
Die Zockerszene Nürnbergs hatte Marijo C. offensichtlich fest im Griff. „Er kontrollierte über Strohmänner mehrere Wettbüros in Nürnberg“, behauptet der Kronzeuge, der im Jahr 2005 rund 700.000 Euro mit illegalen Wetten verdient haben soll. Marijo C. platzierte eigenen Angaben zufolge Wetten zwischen 200.000 und 300.000 Euro pro Monat. Auch Spieler des Club und von Greuther Fürth sollen vor Jahren enge Kontakte zu Marijo unterhalten und über ihn Wetten abgeschlossen haben. Ein Ex-Cluberer ist zudem der Patenonkel seines Sohnes.
Die asiatische Wettmafia dreht am ganz großen Rad
Ante S. aus Berlin gehört ebenfalls zu den Drahtziehern des Wettgeschäfts. Er war vor wenigen Jahren bereits in die Bestechungsaffäre um Schiedsrichter Robert Hoyzer verwickelt, saß deswegen im Knast. Auch mit ihm zog Marijo C. bei den illegalen Wetten an einem Strang. Und er unterhielt Kontakte zum holländischen Wettpaten Paul Rooij, der Spieler des FC St. Pauli bestochen haben soll. Die engen Kontakte werden auch durch abgehörte Telefonate belegt.
Die Millionen, die Nürnberger Zocker dem Kroaten anvertrauten, flossen nach Erkenntnissen der Ermittler oft ins österreichische Graz. Dort sitzen Vertrauensleute der asiatischen Wettmafia, die bei den illegalen Fußballwetten am ganz großen Rad dreht. Umsätze von fast 300 Milliarden Euro sollen jährlich durch ihre Hände fließen.
Helmut Reister
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