Frei fliegen die Tontafeln

Audio von Carbonatix
NÜRNBERG - Mit der Uraufführung „Ikarus Vogelheld“ zieht das Theater Pfütze auf die Freilichtbühne Fürth - und erzählt eine bewegende Geschichte vom Träumen.
Die Götter müssen verrückt sein: Weber und Schneider heißen sie in der Sommerproduktion des Theater Pfütze, motzen sich auf ihrem Hochsitz in der Freilichtbühne des Fürther Stadtparks an wie Statler und Waldorf von den Muppets und raffen zu Gitarre und Orgel die antike Geschichte vom Erfinder Dädalus und seinem Sohn Ikarus zur Moritat.
Denn in „Ikarus Vogelheld“ von Autor und Pfütze-Musiker Martin Zels ist die Geschichte von Vater und Sohn, die auf Kreta ein Labyrinth für den Minotaurus bauen, bei dessen Ermordung mitwirken und dafür eingesperrt werden, nur die Folie für Gegenwartsfragen. Dädalus schlägt und belügt Ikarus aus Sorge, Ariadne wird von ihrer Mutter Persephae vernachlässigt. Die Kinder versuchen, sich Alternativen zu erträumen, die Eltern nähern sich im Streit um Erziehungsfragen an.
Dafür wurde nicht nur die antike Sage umgedichtet, sondern auch — wie kürzlich in Erlangen — die Perspektive umgedreht. Das Publikum blickt in Karin Epplers Inszenierung mit Gewinn auf die antik geschwungenen Ränge: Zwischen den Bänken klappen hölzerne Wellen hoch, Nebel wallt, oben wird eine Tempelfront hochgezogen, und das Akustik-Problem ist auch gelöst.
Hinter den Tragödien-Ecken lauern choreografischer Witz und verbale Ironie: Da empfiehlt Dädalus (Christoph Lappler) seinem Sohn (Christopher Gottwald), zur Sinnstiftung ein Instrument zu erlernen und hält ihm eine Kuhglocke hin. Die Post von König Midas kommt als Tontafel geflogen und wird flappsig von den Göttern (Jürgen Decke und Jürgen Heimüller) vorgesungen. Später kommentieren sie Theseus’ Minotaurus-Mord wie ein Fußballspiel.
So lässt sich auch der düstere zweite Teil erzählen: Nach der Pause sitzt das Publikum auf der Tribüne, unten türmen sich die Bankkästen zu Mauern auf. Vater und Sohn warten auf ihr Ende. Bis Ikarus die Flügel erfindet, gegen den Rat von Vater und Persephone fliegt — und scheitert. Am Ende erklärt der tote Ikarus, warum es trotzdem so wichtig war, seinen Traum zu verwirklichen. Mutig — und für Menschen ab 8 nachvollziehbar. Georg Kasch
Wieder heute und morgen, 4., 5., 11., 12., 18., 19., 25., 26. Juli. Karten Tel. 0911/ 289909
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