Frau fällt ins Gleisbett – und fast keiner hilft

Wegen eines epileptischen Anfalls stürzt die 32-Jährige auf die Schienen. Am Bahnsteig stehen zig Menschen. Doch nur zwei reagieren.
cw, amu |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Der Bahnhof in Landshut.
cw Der Bahnhof in Landshut.

Landshut - Es ist ein ganz normaler Nachmittag am Landshuter Hauptbahnhof: Am Bahnsteig 5 stehen Menschen und warten auf den bald einfahrenden Zug, als plötzlich auf Höhe des Raucherbereichs eine Frau kopfüber auf die Gleise fällt. Mandy B. hat einen epileptischen Anfall. Während die 32-jährige Frau von Krampfanfällen geschüttelt im Gleisbett liegt, starren die Wartenden sie erschrocken an.

Nur eine junge Frau reagiert: Ramona Engelhardt, 20, Fachoberschülerin, denkt nicht lange nach. Sie wirft ihre Tasche und ihr Handy auf eine Bank und springt Mandy B. hinterher. „Das war für mich gar keine Frage, ob ich helfe oder nicht – in dem Moment habe ich wirklich nicht überlegt“, sagt sie später. Doch Ramona Engelhardt schafft es nicht allein, die bewusstlose Frau, die von immer neuen Krämpfen geschüttelt wird, in Sicherheit zu bringen.

Immer wieder schlägt Mandy B. mit dem Kopf auf die Steine im Gleisbett. „Sie war schon ganz blutig und mir war klar, dass ich sie irgendwie von den Gleisen bringen muss.“ Schließlich kommt ein Bahnmitarbeiter zur Hilfe, gemeinsam ziehen sie die Verletzte auf den Bahnsteig. Ramona Engelhardt schreit die Herumstehenden an, ob nicht endlich jemand einen Notarzt rufen kann. „Alle standen nur rum, nicht mal ein Taschentuch reichten sie uns, obwohl Mandy blutverschmiert da lag“, erzählt die 20-Jährige.

Die Polizei glaubt erst an Suizid

Dass sie sich mit ihrem Einsatz auch selbst in Gefahr gebracht hat, wird der 20-Jährigen erst jetzt bewusst. „An den Zug, der um 14.25 Uhr einfahren sollte, habe ich gar nicht gedacht. Erst als der Zug vor mir stand, war mir flau im Magen“, sagt sie. Mandy kommt erst später wieder zu Bewusstsein. Mit gebrochenen Zehen, einem aufgeschlagenen Gesicht und zwei ausgeschlagenen Zähnen. Die kurz darauf eintreffenden Bundespolizisten gehen von einem Selbstmordversuch aus und stellen viele Fragen. Ramona Engelhardt erklärt den Beamten, dass es sich bei dem Vorfall um einen epileptischen Anfall gehandelt hat.

Mandys Mutter ist erschüttert über die Verletzungen ihrer Tochter aber auch über die mangelnde Hilfsbereitschaft der Leute am Bahnsteig: „Klar, der Unfall ist schlimm“, sagt sie, „aber viel unglaublicher ist: Obwohl der ganze Bahnsteig voll war, haben nur zwei Menschen geholfen.“ Auch Ramona Engelhardt findet es erschreckend, dass außer ihr und dem Bahnmitarbeiter niemand eingegriffen hat: „Es waren viele 40- und 50-Jährige vor Ort und da muss ich als 20-Jährige erst allen anderen zeigen, dass man helfen muss.“ Sie glaubt, dass sich viele im ersten Moment hilflos gefühlt haben und Angst hatten, etwas falsch zu machen.

Eine Frau habe ihr sogar später auf die Schulter geklopft und gesagt „Danke, dass Sie geholfen haben“. In Zukunft wünscht sich Mandys Mutter mehr als ein dankbares Schulterklopfen: „Ich will die Menschen aus ihrer Bequemlichkeit aufrütteln. Jeder sollte in einem Notfall Zivilcourage zeigen.“

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.