Flüchtlingskind aus Äthiopien findet Heimat

Alleine in einer wildfremden Stadt. Ohne Sprachkenntnisse. Ohne Pass. Und das mit elf Jahren. James aus Äthiopien hatte Glück: Er hat eine Pfelegefamilie gefunden. 
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Familie Gruber (Name geändert) gibt dem 11-jährigen Flüchtling aus Äthiopien eine Heimat.
dpa Familie Gruber (Name geändert) gibt dem 11-jährigen Flüchtling aus Äthiopien eine Heimat.

Alleine in einer wildfremden Stadt. Ohne Sprachkenntnisse. Ohne Pass. Und das mit elf Jahren. James aus Äthiopien hatte Glück: Er hat eine Pfelegefamilie gefunden.

Regensburg – James wurde einfach ausgesetzt. Zuvor war er mit einer fremden Frau mit dem Flugzeug von Äthiopien nach Frankfurt geflogen. Von dort ging es weiter zum Regensburger Bahnhof. Dort verschwand die Frau, die James nur „Tante“ nannte. Sie wolle nur schnell etwas zu Essen kaufen gehen, hatte sie ihm erklärt. Doch dann kam sie nie wieder. Mehrere Stunden später wurde die Polizei auf den verzweifelten Buben aufmerksam.

James hatte Glück. Das Jugendamt Regensburg nahm sich seiner an und fand eine Pflegefamilie. Seit rund vier Wochen lebt der Elfjährige nun bei den Grubers und versteht sich bestens mit dem 15-jährigen Sohn. Ein Glücksfall, denn Pflegefamilien sind rar, erst recht für Kinder wie James (Name geändert).

„James hatte keinen Ausweis bei sich, konnte kein Wort Deutsch“, erinnert sich Franz Dorner, Leiter der Abteilung Jugendschutz im Jugendamt Regensburg. Der kleine Äthiopier ist kein Einzelfall, wie aus den Zahlen des Bundesfachverbandes unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) in München hervorgeht. Mehr als 4300 Kinder und Jugendliche sind den Experten zufolge 2012 allein nach Deutschland eingereist und wurden dort von Jugendämtern in Obhut genommen. Etwa zwei Drittel davon waren zwischen 16 und 18 Jahren alt.

Die Suche nach einer Unterkunft für James gestaltete sich schwierig. „Generell melden sich sehr wenige Familien bei uns, die bereit sind, ein Kind bei sich aufzunehmen“, berichtet Dorner. Bei James war alles noch mal komplizierter, hat er doch keinen Pass. Somit fällt er im deutschen Aufenthaltsgesetz zwischen alle Stühle. Seine Identität kann nicht festgestellt werden. Deshalb kann er auch keine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen bekommen.

Ein Asylantrag macht keinen Sinn, da er nicht nachweisen kann, dass er in Äthiopien verfolgt wurde. Und auch eine Adoption ist nicht möglich - dazu müsste zweifelsfrei geklärt werden, dass er keine Verwandten mehr hat, die für ihn sorgen können.

Wie es um die Familie des Buben bestellt ist, ist unklar. Sicher ist, dass Äthiopien nach UN-Angaben eines der ärmsten Ländern der Welt ist. Immer wieder gibt es bewaffnete Konflikte. Viele Kinder sind Aids-Waisen oder leben auf der Straße. Ob James seine Eltern durch die Immunschwächekrankheit verloren hat – keiner weiß es.

Auch Dorner vom Jugendamt hat nur spärliche Informationen: James habe erzählt, er habe keine Eltern und sei bei seiner älteren Schwester aufgewachsen. Die habe eines Tages zu ihm gesagt, sie müsse jetzt zum Geldverdienen nach Saudi-Arabien gehen. Eine Frau werde kommen und sich darum kümmern, dass er nach Amerika reisen könne. Deshalb dachte James bei seiner Ankunft in Regensburg auch, er wäre in den USA.

Weil die Herkunft des Buben im Dunkeln liegt, lebt James momentan im Status der Duldung. Eine Aufenthaltserlaubnis bekommt er erst, wenn er mehr als sechs Jahre hier in Deutschland war und klar ist, dass er sich gut in das Leben einfügen wird. Das heißt aber auch: Sechs Jahre ohne Pass und ohne gültige Aufenthaltspapiere.

Für Pflegefamilien ist das eine Belastung, denn ein Urlaub im Ausland ist so nicht möglich. Große Reisen haben die Grubers zwar nicht geplant. Aber zumindest ein Skiurlaub in Österreich wäre schön. „Wenn wir James nicht allein hier lassen möchten, können wir uns das jetzt abschminken“, sagt Vater Helmut Gruber.

Die nächsten Jahre nicht mehr außerhalb Deutschlands reisen zu können, das war der größte Haken für die Familie, als sie über die Aufnahme des Buben nachdachte. „Wir wollten dem Jungen aber eine Chance geben und ihm eine harmonische Kindheit bieten“, meint Gruber. Bislang läuft es gut, sogar einen Wechsel von der Förderschule auf eine weiterführende Schule können sich die Pflegeeltern vorstellen: „James hat sich schon gut eingelebt, er kann sich schon mit einfachen Worten in Deutsch verständigen und mit unserem Sohn Valentin versteht er sich auch super“, erzählt der Pflegevater stolz.

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