Flüchtlinge erzählen ihre Geschichte

Flüchtlinge erzählen Schülern im Allgäu ihre Geschichte. So sollen Vorurteile abgebaut und Verständnis geschaffen werden
Verena Lehner / Lokales |
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Asylbewerber Amin Husen steht vor Siebtklässlern und beantwortet ihre Fragen.
ho Asylbewerber Amin Husen steht vor Siebtklässlern und beantwortet ihre Fragen.

Als Amin von seiner Flucht aus Äthiopien erzählt, ist es mucksmäuschenstill in der Aula. Sein Englisch ist schwer zu verstehen. Außerdem spricht der 25-Jährige leise und senkt immer wieder den Kopf.

Die Schüler der Mittelschule Altusried hören interessiert zu, während Amin berichtet – von seiner ständigen Angst, erwischt und eingesperrt zu werden, und von der gefährlichen Überfahrt in einem Flüchtlingsboot.

„Einfach krass, was die auf dem Weg alles mitgemacht haben“, sagt der 15-jährige Maxi aus der neunten Klasse später. Auch Zehntklässlerin Elina ist beeindruckt: „Wir haben uns im Unterricht schon viel mit dem Thema beschäftigt. Aber es ist total interessant, wenn jemand von seinen eigenen Erlebnissen berichtet.“

„Wie können sich Asylbewerber die Handys leisten?“

Nicht nur Amin erzählt seine Geschichte. Drei weitere der 68 Asylbewerber, die derzeit in der kleinen Oberallgäuer Gemeinde Altusried leben, beantworten geduldig die Fragen der Schüler. Sie sind auf Einladung des Caritasverbands Kempten-Oberallgäu gekommen, der in diesem Schuljahr alle Mittelschulen des Landkreises besucht, um die Schüler über das Thema Asyl und Flüchtlinge zu informieren.

Vorurteile abbauen und für Verständnis für die neuen Mitbürger werben – das ist das Ziel der Schulveranstaltung, sagt Tina Hartmann von der Youngcaritas. Bevor die Schüler ihre Fragerunde starten, ermuntert Hartmann sie, offen auf die Flüchtlinge zuzugehen. Das Interesse der jungen Altusrieder ist groß. Sie wollen wissen, wie viel Geld Asylbewerber bekommen, ob sie davon leben können und wo das Geld herkommt.

Ein Thema scheint den Jugendlichen besonders am Herzen zu liegen. „Wie können sich Asylbewerber die teuren Handys leisten?“, lautet eine Frage, die in jeder Jahrgangsstufe gestellt wird. „Viele haben ihre Handys von zu Hause mitgebracht. Es ist für die Menschen die einzige Möglichkeit, mit ihren Familien Kontakt zu halten“, erklärt Matthias Kolb vom Altusrieder Unterstützerkreis für Flüchtlinge. Zusätzliches Geld gebe es dafür nicht.

Das Kultusministerium lobt die Veranstaltung in der Allgäuer Schule

Dass Schulen mit externen Partnern zusammenarbeiten, kommt häufig vor, sagt Henning Gießen, Sprecher des Kultusministeriums in München. Darüber entscheide die Schulleitung in eigener Verantwortung. Ob es an anderen Schulen in Bayern ähnliche Projekte zum Thema Flüchtlinge gibt, sei nicht bekannt. Grundsätzlich sei es jedoch zu begrüßen, wenn sich Schulen zusätzliche Anregungen von außen in ihren Schulalltag holen. „Wichtig ist dabei aber, die Qualität der Angebote zu überprüfen.“

Das Projekt soll den Menschen die Angst nehmen

Im Oberallgäu hat die Caritas das Konzept für ihre Infotour an Schulen im Auftrag des Landratsamtes entwickelt, das auch weitgehend für die Finanzierung aufkommt. Die Idee dafür entstand nach Angaben einer Sprecherin der Behörde bei einer Veranstaltung für Bürger. Bei dieser Versammlung hätten mehrere Mädchen ihre Ängste vor Asylbewerbern geschildert. „Sie haben gesagt, dass sie sich nicht mehr vor die Haustür trauen, wenn die Fremden da sind“, sagte die Sprecherin des Landratsamtes.

Diesen Ängsten wolle man begegnen, indem Fachleute mit den Schülern über das Thema sprechen. Fremde Kulturen, fremde Sprachen und das fremde Aussehen – in Altusried sind die Flüchtlinge Gesprächsthema Nummer eins, wie einige Schülerinnen sagen. „Man hört viel Negatives. Sie leben vom Staat, sind faul und kriminell, heißt es oft“, sagt eine 16-Jährige.

Die Caritas-Veranstaltung an ihrer Schule findet sie deshalb sehr wichtig. „Wir sind als Dorfkinder voll betroffen, kennen uns mit dem Thema aber nicht gut genug aus. Wenn man mehr über die Menschen erfährt, ist man eher bereit, zu helfen.“ Warum kommt es so weit, dass Menschen ihr Land verlassen wollen? Warum kann man ihnen nicht schon in ihrem Heimatland helfen? Warum kommen hauptsächlich Männer? Und warum gerade jetzt? Nehmen auch andere Länder Flüchtlinge auf? Gehen die Flüchtlinge wieder zurück, falls sich die Situation in ihrem Land bessert? Die Fragen der Schüler gehen in alle Richtungen. Die letzte richtet ein Zehntklässler direkt an die Flüchtlinge: „Was ist euer größter Wunsch?“, will er wissen. Amin, der seine Eltern und Geschwister in Äthiopien zurückgelassen hat, muss nicht lange überlegen. „Frieden und Demokratie in meinem Land“, sagt er knapp. Birgit Ellinger

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