Floristen-Branche sucht Azubis: "Wir bereiten den ganzen Tag Freude"

Azubis werden auch bei Floristen dringend gesucht. Die Lehre hat sich gewandelt, auch der Beruf – und die jungen Leute selbst.
Martina Scheffler |
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Erni Salzinger-Nuener, langjährige IHK-Prüferin für Floristik, liebt ihren Beruf. Eine Lieblingsblume hat sie aber nicht.
Erni Salzinger-Nuener, langjährige IHK-Prüferin für Floristik, liebt ihren Beruf. Eine Lieblingsblume hat sie aber nicht. © Bernd Wackerbauer

Erni Salzinger-Nuener sagt: "Jeder stellt sich das als superschönen Beruf vor" – und man spürt, ihr selbst geht es nicht anders. Kürzlich erst hat sie die Goldene Ehrennadel der IHK für München und Oberbayern bekommen für ihre langjährige ehrenamtliche Prüfertätigkeit im Bereich Floristik.

Seit 30 Jahren macht die Floristmeisterin das, ist außerdem Präsidentin des Landesverbands Bayern des Dachverbands Deutscher Floristen und führt ein eigenes Geschäft im Landkreis Altötting. Gerade erst hat sie wieder Kandidaten geprüft, Blumengebinde in Augenschein genommen, Skizzen angesehen, Materiallisten und Kalkulationen begutachtet und auch mündlich geprüft.

40 bis 50 Kandidaten für München und Oberbayern treten an

"Die Prüfung ist sehr aufwendig", sagt Salzinger-Nuener der AZ. Sie zieht sich über mehrere Wochen von Anfang Mai bis Ende Juli mit theoretischer, praktischer und mündlicher Prüfung. "Die Prüflinge müssen alles selbst mitbringen, vom Besen bis zur Blume", erzählt die Floristmeisterin.

Kandidatin Kathrin Nirschl (34) mit Erni Salzinger-Nuener bei der IHK-Prüfung für Floristik.
Kandidatin Kathrin Nirschl (34) mit Erni Salzinger-Nuener bei der IHK-Prüfung für Floristik. © Bernd Wackerbauer

Zwischen 40 und 50 Kandidaten treten in der Regel in München und Oberbayern an. Früher aber waren es um die 100 - der Fachkräftemangel hat auch den "superschönen" Beruf erfasst, massiv betroffen sei ihr Handwerk, sagt Salzinger-Nuener, "schon vor Corona". Sie macht auch die Politik verantwortlich, die lange das Studium "hoch aufgehängt" habe, während nun für das Handwerk geworben werde.

Vom Arbeitgeber– zum Bewerbermarkt

Es sei anders als früher ein Bewerbermarkt: "Eigentlich müssen sich ja die Betriebe bewerben bei den Azubis. Jetzt im Moment sind junge Menschen definitiv in der Position, dass sie sich ganz viel aussuchen können."

Und ja, natürlich gebe es die ungeregelten Arbeitszeiten, aber wer Teilzeit arbeiten wolle, für den sei das doch ideal, für Mütter etwa. 90 Prozent der Prüflinge sind Frauen, daran hat sich über die Jahre nicht viel geändert.

Konnte man früher besser rechnen?

Gibt es denn Unterschiede bei den Kandidaten im Vergleich zu früher? "Generell habe ich schon das Gefühl, dass wir besser rechnen konnten", sagt die Floristmeisterin. Die Mathematik sei allerdings auch nicht so wichtig gewesen, man sei hauptsächlich kreativ gewesen. "Früher war man mehr auf den Kopf angewiesen, da gab es noch keine Digitalisierung."

Heute dagegen spiele die bei der neuen Ausbildungsordnung eine große Rolle. Bald, so kündigt die Oberbayerin an, werde es einen neuen Lehrplan geben, der das ebenfalls berücksichtigen wird. Außerdem floriere der Online-Handel mit floralen Produkten.

Jüngere seien viel auf Instagram unterwegs und generierten dort Kundenaufträge. "Beim Blumeneinkauf wird der Händler, der aus dem Auto heraus die Ware verkauft, immer seltener", sagt Salzinger-Nuener. Auch bei der Blumenauswahl werden neue Wege gegangen.

Zwar blieben die drei Hauptbegriffe des Handwerks, Binden, Stecken, Pflanzen, gleich, heute aber spielt der Expertin zufolge die Nachhaltigkeit auch bei den Floristen eine bedeutende Rolle.

Die regionale "Otto-Normal-Blume" ist gefragt

So werden mehr regional angebaute Blumen verwendet, es wird mehr saisonal gearbeitet – eine Blume also nur verarbeitet, wenn sie aktuell in der Region blüht. Die "Otto-Normal-Blume" ist gefragt, "das entspricht mehr der jetzigen Zeit". Sorten wie Gerbera oder Chrysanthemen würden weniger verwendet. Und man müsse auch nicht mehr Orchideen aus Asien importieren, es gebe schließlich auch regionale Orchideen züchter. Man wolle auf das verzichten, "was in die Ökologie nicht reinpasst", sagt die IHK-Prüferin. "Da setzen wir einen großen Schwerpunkt." Auch Kunststoffgefäße seien mittlerweile verpönt.

Der größte Unterschied bei den Auszubildenden selbst sei aber das Selbstbewusstsein, hat Salzinger-Nuener beobachtet. Vor 20 Jahren hätten junge Leute einer gewissen Führung bedurft, das sei heute nicht mehr so. Heute würden die Azubis für sich reden, für sich entscheiden und auch schon mal selbst zur Prüfung fahren - was früher der Betrieb übernommen habe. "Das ist positiv zu bewerten, das ist ja im Geschäft viel einfacher, wenn ich jemanden habe, der selbst mitdenkt."

In Berufsschulklassen sitzen heute auch vermehrt Ältere

In den Berufsschulklassen sitzen heute auch vermehrt Ältere, wie die Prüferin berichtet. In jeder Klasse gebe es Leute "30 aufwärts", was früher nicht der Fall gewesen sei.

"Ich hatte letztes Jahr eine Zahntechnikerin, eine mit einem abgeschlossenen Pädagogikstudium" - diese hätten das machen wollen, was sie schon immer tun wollten, nämlich mit Blumen arbeiten. Kein Wunder: "Wir bereiten den ganzen Tag Freude", sagt die
Expertin.

Ein Problem, vor dem die Branche ebenfalls seit geraumer Zeit steht: die Nachfolge. "Uns gehen die Floristen aus", die einen Betrieb übernehmen, beklagt Salzinger-Nuener. "Wir haben ganz viele tolle Betriebe, die keinen eigenen Nachfolger aus der Familie haben und die sich ganz, ganz schwertun, jemanden zu finden." Deswegen gehe man jetzt verstärkt in Gymnasien, Fachoberschulen und Realschulen, um deren Absolventen anzusprechen.

Ab September starte einneues Angebot einer Doppelqualifikation, "Two in One", ausschließlich für junge Menschen mit Abitur oder Fachabitur, die in vier Jahren ihren "Bachelor of Professional in Gestaltung" machen inklusive Ausbildung und Besuch der Fachschule für Blumenkunst Weihenstephan.

Für alle Azubis ist aber auch die Gehaltsfrage von Bedeutung. "Es ist absolut wichtig, dass sie ein angemessenes Gehalt bekommen", sagt Salzinger-Nuener. Zum Schluss also die Zahlen: Seit 1. August gibt es 750 Euro im ersten Lehrjahr, ab Juli 2023 800 Euro. "Ein schöner Sprung."


Ausbildungsplätze in der Stadt: München hat noch Stellen frei

Fast 3.700 freie Ausbildungsplätze vermeldete die IHK für München und Oberbayern Mitte Juli für die Landeshauptstadt, 20 Prozent mehr als 2021. "Angesichts der immer größer werdenden Fachkräftelücke setzen unsere Ausbildungsbetriebe auf die Ausbildung von eigenem Nachwuchs.

Auch heuer bieten sie viele Lehrstellen an. Aber es gibt bei weitem nicht genug Bewerber für alle Stellen", sagt Peter Inselkammer, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Landeshauptstadt München. Betriebe kämpften mit sinkenden Schulabgängerzahlen und dem Trend zur akademischen Ausbildung.

Angesichts der Studienabbrecherzahlen könne aber eine praxisnahe Ausbildung für viele die bessere Wahl sein, so Inselkammer. Die IHK verzeichnete im ersten Halbjahr 2022 für ganz Oberbayern insgesamt gut 8.500 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge - das ist immerhin ein Plus von 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

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