Fleckerlteppich aus Brooklyn, Belgrad und Fleischeslust
NÜRNBERG - Miss Platnum reichte im Hirsch fulminant gemixte Soundpralinen
Balkan-Hochzeit oder Großraumdisko? Gypsy Jazz oder Blingbling-R’n’B? Egal: Das Wörtchen „Oder“ existiert nicht im musikalischen Selbstverständnis einer Miss Platnum. Auch wenn in den meisten ihrer Produktionen nie klar scheint, wohin die Reise letztlich führt, bleibt die 30-jährige Deutsch-Rumänin auch auf ihrem neuen Album „The Sweetest Hangover“ eine vehemente Streiterin für ein dickes „Und“: Anspruch UND Gelage, Brooklyn UND Belgrad, Elektronik UND Brass, subtil UND auf die Zwölf. Großstadt-Missy im Balkan-Wonderland.
Dominiert auf den Alben der Berlinerin programmierter Druck, den südosteuropäische Tröt-Ensembles Sample-gleich anreichern, kippt das Verhältnis bei Live-Shows wie am Mittwoch im Nürnberger Hirsch. Trompete, Tuba und Posaune übernehmen das Ruder auf dem Donaudampfer. Pralle, dralle, Sljivovica-selige Fleischeslust statt anorektischer Club-Erotik: „Give Me The Food!“
Soul-Stomper saftig wie Bureks („Don't Go To Strangers“), feurige Sound-Eintöpfe („She Moved In“), bittersüße Schnaps-Pralinen („Drink, Sister, Drink“): Miss Platnum samt sechsköpfiger Band und zwei bezaubernder Mikrophon-Sidekicks füllen mit ihrem Balkan-Fleckerlteppich spielend die Lücke zwischen Ella Fitzgerald und Beyoncé. Hier wächst zusammen, was nie zusammengehörte, bleibt kleben und begeistert.
„Marry me“ intoniert Miss Platnum, kurz bevor es in die Zugaben geht: Ein Wunsch, den ihr nach zwei, drei Sljivovica keiner ausschlagen kann.
Steffen Windschall
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