Finnlands Außenposten

NÜRNBERG - Der andere Blick auf die Szene (VI): Der Fürther Heimatladen „Kioski“ von Martti Trillitzsch ist Umschlagplatz für nordische Stimmungen.
Braucht Franken Bands, deren muttersprachliche Übersetzungen von Songtiteln im besten Falle ehrenrührig sind? Die etwa aus Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ einen „Schrotflintensong“ machen? Bands, die mit Riesenhaartolle alberne Coverversionen von Mega-Hits spielen? Bands, die zum Tanztee laden, Polka spielen und sich selbst „Die Rentner“ nennen und auf der Bühne den alkoholbedingten Komplettabsturz inmitten des Zweivierteltaktwahninns aufführen? Filme, in denen so gut wie nicht gesprochen wird? Wodka mit Lakritzgeschmack? Tango aus Finnland?
Ja, verdammt, unbedingt!
Zu diesem Schluss ist auch Martti Trillitzsch gekommen, gebürtiger Papua-Neuguineer, der Vater aus Deutschland und die Mutter aus Finnland. Er ist mit seinem „Kioski“ in einen ehemaligen Kinosaal in Fürth gezogen, ein Paradies für Anhänger der eben beschriebenen Errungenschaften der Kulturlandschaft, die – man hat es geahnt – aus Finnland kommen.
Vor 15 Jahren ist er auf die Idee gekommen, sich eingehender mit Finnland zu beschäftigen, mittlerweile verdient er mit fast allem, was kulturell mit Finnland in Zusammenhang steht, sein Geld. „Das ist schon ganz schön anstrengend, ich mache hier eine Sieben-Tage-Woche“, erklärt der struwwelköpfige Träumer mit der Art-Garfunkel-Ausstrahlung.
Kein Wunder: Martti Trillitzsch ist mittlerweile Eigentümer von drei Labels. Zwei davon, Tug- und Humppa-Records, haben inzwischen auch in Finnland einen so guten Namen, dass er von Fürth aus finnische Bands unter Vertrag nimmt, die dann in Finnland ihre Platten über sein Label verbreiten. Das klingt bizarr, passt aber zu dem Land im Norden Europas.
Bekannteste Bands mit Vertrag in Deutschland sind die Jolly Jumpers und die Humppa-Könige Eläkeläiset. Das dritte Label, 9pm-Records, vertreibt Pop und Rock auch aus Deutschland.
Doch Martti Trillitzschs umtriebiges Finnland-in-Franken-Lebens-Projekt greift weiter. Er hat ja auch noch den Kioski-Plattenladen, einen Musikverlag, seine eigene Band Mäkkelä’s Trash Lounge, und veranstaltet Finnendiscos im Großraum.
„Davon kann man leben“, sagt er – logisch – lakonisch, „nicht gut zwar, aber es geht.“ Früher, bevor Finnland zu seiner Vollzeit-Mission wurde, hat er noch Taxi gefahren oder ab und zu bei der Messe geholfen. Seit einigen Jahren geht das nicht mehr. „Das ist schon alles anstrengend. Aber eben auch Teil meiner Lebensphilosophie. Musik zu machen und mit Musik zu tun zu haben, bedeutet mir wahnsinnig viel.“
Dass der gemeine Franke an sich bei dem Wort Finnland zunächst an Sauna und Wodka und nicht an Kultur denkt, stört ihn nicht. „Außerdem stimmen ja ein paar Klischees. In dem Kaurismäki-Film ,Der Mann ohne Vergangenheit’ gibt es so ein paar Szenen, da denke ich mir: Ja, das kenne ich. Und: Ja, der Finne ist oft melancholisch und trinkt gerne“, sagt Martti Trillitzsch trocken.
Aber auch die eher unbekannten Seiten Finnlands will Martti Trillitzsch beleuchten. In seinem Laden stellte er schon finnische Künstler aus, er vertreibt das spaßige Mölkky-Spiel, ähnlich dem Kegeln, und veranstaltet immer wieder finnische Tangoabende.
Einziges Manko am fränkischen Standort: „Ich habe viele Kunden von außerhalb, die kommen teils aus München, um hier einzukaufen. Aber es gibt immer noch Franken, die zufällig hier reinkommen und fragen: ,Was issn des?’“ Das ist natürlich eine doofe Frage. Die Antwort: Der witzigste kulturelle Außenposten eines nordischen Landes. Martin Mai