Filmreife Verfolgungsjagd durch Oberbayern

Ein Amokfahrer raste 100 Kilometer quer durch Oberbayern. Erst dann konnte die Polizei den 45-Jährigen in Bad Wiessee per Nagelbrett stoppen. Beinahe hätte die Wahnsinnsfahrt in einer Tragödie geendet.
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Das Ende einer Verfolgungsjagd: Die Polizei hat den Amokfahrer gestoppt. Soeben klicken die Handschellen.
Polizei Das Ende einer Verfolgungsjagd: Die Polizei hat den Amokfahrer gestoppt. Soeben klicken die Handschellen.

BAD WIESSEE - Ein Amokfahrer raste 100 Kilometer quer durch Oberbayern. Erst dann konnte die Polizei den 45-Jährigen in Bad Wiessee per Nagelbrett stoppen. Beinahe hätte die Wahnsinnsfahrt in einer Tragödie geendet.

Kevin (17) und sein Spezl Thomas (16) wollten nur mal kurz zur Eisdiele sich mit Freunden treffen, als ein silberfarbener Pontiac mitten in Bad Wiessee direkt auf sie zuraste. Die Jugendlichen brachten sich im letzten Moment mit einem Hechtsprung vor dem Amokfahrer Udo K. (45) in Sicherheit. Sekunden später zerfetzte ein Nagelband die Reifen seines Van; das Ende einer einstündigen halsbrecherischen Verfolgungsjagd – 100 Kilometer hatte ihn die Polizisten am Freitagabend kreuz und quer durchs Voralpenland verfolgt.

Statt für eineinhalb Jahre wegen Betruges ins Gefängnis zu gehen, versuchte Udo K. sich klammheimlich mit seiner Frau nach Ungarn abzusetzen. Doch bei einem Tankstopp an der Raststätte Irschenberg gerieten Udo und Carmen K. (53) gegen 18.30 Uhr in eine Polizeikontrolle: Dabei flog auf, dass der Van des Stuttgarter Ehepaares weder zugelassen noch versichert war, das Kennzeichen im Dezember am Münchner Flughafen geklaut worden war und Udo K. zur Fahndung ausgeschrieben war, weil er seine Haftstrafe wegen Betruges nicht angetreten hatte.

Und plötzlich gab er Gas

„Als die Kollegen seine Papiere kontrollieren wollten, sprang das Pärchen ohne die Tankrechnung zu bezahlen in den Wagen und gab Gas“, berichtet Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer. Mit quietschenden Reifen raste der silberfarbene Pontiac auf die A 8 zum Inntaldreieck und von dort aus weiter über die A 93 in Richtung Kufstein.

Bei Oberaudorf versuchten mehrere Streifenwagen den Van in die Zange zu nehmen und auszubremsen. Doch Udo K. brauste über den Standstreifen haarscharf an den Polizeiautos vorbei. Mit aufheulendem Motor jagte er anschließend von der Autobahn runter auf einen Feldweg und von dort weiter über eine angrenzende Wiese.

Im letzten Moment zur Seite gehechtet

„Als ihn Kollegen wenig später auf einer Landstraße erneut stoppen wollten, rammte er mehrfach einen Streifenwagen“, berichtet Polizeihauptkommissar Dieter Bezold. Mit bis zu 180 Sachen raste Udo K. – teilweise sogar als Geisterfahrer in falscher Richtung – über die Straßen, die Sudelfeldstrecke hoch, durch die Orte Bayrischzell und Hausham bis rüber ins Tegernseer Tal – insgesamt rund 100 Kilometer.

15 Polizeiautos, eines blieb bei mit Getriebeschaden liegen, und ein Polizeihubschrauber, saßen dem Amokfahrer die ganze Zeit über im Nacken, doch er war nicht zu stoppen. In Bad Wiessee hätte die filmreife Verfolgungsjagd nach einer Stunde beinahe in einer blutigen Tragödie geendet: Zwei Jugendliche, die gerade über die Straße gehen wollten, wären von Udo K. beinahe über den Haufen gefahren worden. „Die Scheinwerfer rasten direkt auf uns zu“, berichten Kevin und Thomas. „Der Typ hatte mindestens 120 Sachen drauf. Wir konnten im letzten Moment zur Seite hechten.“

Sekunden später war die halsbrecherische Flucht für Udo K. zu Ende. Der Van bretterte über ein ausgelegtes Nagelbrett und bleib mit zerfetzten Vorderreifen liegen. Polizisten umstellten den Wagen. Am Himmel kreiste der Hubschrauber. „Ich kam mir vor wie in einem Krimi“, erzählt Gabi Hörter (55), die gerade mit ihrem Hund Zorro in Bad Wiessee Gassi ging.

Udo und Carmen K. wehrten sich, als sie Beamte mit vorgehaltenen Pistolen aus dem Van zogen. „Die Polizisten haben sie blitzschnell zu Boden gerissen und sie dann gefesselt“, erzählt Gabi Hörter. Im Van fanden die Polizisten wenig später eine versteckte Schreckschusswaffe, außerdem sechs Gramm Marihuana. Während der filmreifen Verfolgungsjagd hatten mehrere Zeugen beobachtet, wie Tütchen aus dem Wagen geworfen wurden. Polizisten suchten deshalb am Samstag das fragliche Gelände nahe der Autobahn bei Irschenberg nochmals ab. Weitere Drogen wurden dabei aber nicht gefunden.

Udo K. sitzt inzwischen in Stadelheim in Untersuchungshaft. Carmen K. wurde dagegen am Wochenende bereits wieder entlassen.

Ralph Hub

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