Farbenpracht aus dem Depot

„Heilige und Hasen“: Das Germanische Nationalmuseum präsentiert Neuentdeckungen einzigartiger „Bücherschätze der Dürerzeit“
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Anzügliches Hasen-Verhalten: Detail aus Imhoffs „Gebetbuch“.
Berny Meyer Anzügliches Hasen-Verhalten: Detail aus Imhoffs „Gebetbuch“.

Nürnberg - „Heilige und Hasen“: Das Germanische Nationalmuseum präsentiert Neuentdeckungen einzigartiger „Bücherschätze der Dürerzeit“

Auch Freunde der plakativen Playboy-Symbolik können sich in dieser Sonderausstellung im Germanischen Nationalmuseum, die nicht umsonst „Heilige und Hasen“ heißt, auf Entdeckungsreise begeben. Bei näherer Betrachtung (was bei der heruntergedimmten Kostbarkeits-Beleuchtung durchaus eine Herausforderung ist) entdeckt man sie, die kopulierenden Bunnys, am rechten Rand der animalischen Witzfiguren. Womit Hugh Hefner sein Injection-Copyright eindeutig verloren hat.

Denn diese Bordüre stammt vom Anfang des 16. Jahrhunderts und findet sich sinnlicherweise im „Gebetbuch“ des Hans Imhoff. Der Schwiegersohn des Willibald Pirckheimer ließ sich das „Erbauungsbuch“ (mit Texten über Tugend und Tod von Luther bis Erasmus von Rotterdam) von Albrecht Glockendon d. Ä. illuminieren, einem Vertreter der berühmtesten Buchmalerfamilie. Womit die wunderbare Präsentation Nürnberg zweierlei Geheimnisse entreißt: a) was eine „Glockendonstraße“ ist und b) dass Buchmalerei mit Erfindung des Buchdrucks um 1455 keineswegs am Ende war.

Mit dem Vorurteil wollen die gezeigten „Buchschätze der Dürer-Zeit“ (zwei Drittel der 70 Exponate kommen aus dem eigenen Hause, der Rest von München bis Kopenhagen) nach Aussage der Ausstellungsmacher Anja Grebe und Thomas Eser aufräumen. Die Renaissance ist für sie nicht gleichzusetzen mit „Spätblüte“ oder Niedergang Nürnberger Buchmalerei, sondern verbunden mit einem neuen Boom, der gekoppelt ist an die geistige und wirtschaftliche Sogkraft der Reichsstadt – und an Dürer. Der Büchermacher erkannte früh die Möglichkeiten des Gutenberg-Coups („Marienleben“, „Passion Jesus Christus“ und „Apokalypse“ nannte er die „Drei Großen Bücher“), seine Holzschnitte oder Motive daraus dienten als Vorlage für kolorierte Fassungen oder Varianten.

Es war das „Bedürfnis nach Einzigartigkeit und Einmaligkeit“, die den Illuministen zwischen „Bücherfresser“ und Stadtarzt Hartmann Schedel und Humanist und Aristoteles-Fan Willibald Pirckheimer zu Ansehen und Umsatz verhalf. Wer etwas hielt, bestellte solche Unikate: Luxuscodices genauso wie handlich gedruckte Taschenbücher. Herzog Albrecht von Brandenburg zahlte Nikolaus Glockendon für ein Messbuch 500 Gulden, doppelt so viel wie Dürer jemals für einen Altar erhielt. Was man getrost als Zeichen der Wertschätzung dieses Kunsthandwerks sehen kann, wie die Tatsache, dass der Rat der Stadt wohl bei den Glockendons (die übrigens auch am Behaim-Globus beteiligt waren) ein „Festbrevier“ in Auftrag gab, über 600 Seiten stark und reich illustriert – als Promi-Geschenk auf Vorrat. Nach Jahrhunderten im Depot könnte der wahre Wert dieser Buch-Blüte jetzt entdeckt sein. Andreas Radlmaier

Germanisches Nationalmuseum: ab heute, 19 Uhr, bis 12. Oktober. Di-So 10-18 Uhr, Mi bis 21 Uhr. Katalog: 17,80 Euro

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