Fall Peggy: Jetzt ermittelt der Staatsanwalt wieder!
Die Behörde reagiert auf den Exklusiv-Bericht der AZ. Ex-Häftling Peter H. (52) erhebt Vorwürfe gegen die Polizei. Er soll vernommen werden. Ulvis Anwalt rechnet mit einem neuem Prozess
HOF/BAYREUTH Der Mordfall Peggy – noch ist er längst nicht abgeschlossen! Wie die Staatsanwaltschaft Hof gestern erklärte, wird ein ehemaliger Zellengenosse des später als Mörder verurteilten Ulvi K. (30) erneut vernommen. Peter H. (52) hatte den geistig behinderten Gastwirtssohn in dem Strafverfahren schwer belastet – und seine Aussage jetzt zurückgenommen. Die AZ berichtete exklusiv über diese hochbrisante Entwicklung.
Oberstaatsanwalt Eberhard Siller von den Hofer Justizbehörden gibt sich äußerlich ganz gelassen. „Wir werden den Mann in den nächsten Tagen vernehmen und seine Aussagen überprüfen. Erst dann wird entschieden, wie es weiter geht“, sagte der stellvertretende Behördenleiter zur AZ.
Für den Frankfurter Rechtsanwalt Michael Euler, der im Auftrag einer Bürgerinitiative tätig ist, die sich für die Freilassung von Ulvi K. einsetzt, ist die Marschrichtung dagegen schon fest programmiert. „Die Justiz“, sage er, „kommt um ein Wiederaufnahme-Verfahren gar nicht mehr herum.“ Bereits in den nächsten Tage will er einen entsprechenden Antrag bei Gericht stellen und ihn ausführlich begründen. Euler: „Es gibt eine Fülle von Beweisen, die in dem Strafverfahren unberücksichtigt blieben und Ulvi entlasten. Er kann der Mörder von Peggy gar nicht gewesen sein.“
"Ulvi wurde mit Suggestivfragen manipuliert"
Wie die AZ berichtete, hatte Peter H. bei der Polizei und im Prozess ausgesagt, dass ihm sein Zellengenosse Ulvi K. den Mord an dem verschwundenen Mädchen gestanden habe. In einer eidesstattlichen Erklärung, die die AZ der Staatsanwaltschaft in Hof zur Verfügung stellte, nahm Peter H. diese Aussage wieder zurück. In der zweiseitigen Erklärung heißt es unter anderem: „Er hat mir gegenüber ein derartiges Geständnis nie abgelegt.“
Was den Fall innerhalb der Hofer Ermittlungsbehörden noch brisanter macht: Peter H. behauptet, dass er von Polizeibeamten mit falschen Versprechungen zu der belastenden Aussage gedrängt worden sei. Peter H. : „Ich war durch die Polizei derart eingeschüchtert, dass ich das Aussageprotokoll einfach unterschrieb, ohne es genau durchzulesen. In der damaligen Situation hätte ich unter diesen Umständen wahrscheinlich auch mein eigenes Todesurteil unterschrieben.“
Die Ermittlungsmethoden der „Soko Peggy“ waren schon früher auf Kritik gestoßen. So wurde zum Beispiel in diversen Strafanzeigen der Vorwurf erhoben, dass der geistig zurückgebliebene Ulvi K. (Intelligenzquotient 67) mit körperlicher Gewalt zu einem Mordgeständnis gebracht worden sei. Die Staatsanwaltschaft ermittelte zwar, stellte die Verfahren aber allesamt ein, weil sich keine Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten der Beamten ergeben hätten.
Rechtsanwalt Michael Euler hält das später widerrufene Geständnis von Ulvi K. ohnehin für nicht verwertbar. Euler: „Anhand der Akten kann man deutlich erkennen, dass er mit Suggestivfragen manipuliert worden ist. In der geistigen Verfassung, in der er sich damals befand, war das ein Kinderspiel.“
Helmut Reister
Mehr zur spektakulären Wende im Fall Peggy, ein Interview mit Anwalt und Mutter von Ulvi K. lesen Sie in der Print-Ausgabe Ihrer AZ am Wochenende, 18./19. September