Fall Herrmann: Kripo exhumiert Zeugen

Die Ermittler lassen nichts unversucht, um Werner M. zu überführen: Mit dem Fall Ursula Herrmann beschäftigt sich daher am Mittwoch auch die ZDF-Sendung in Aktenzeichen XY. Werner M. wird derweil in der U-Haft massiv bedroht.
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Das Opfer und der Tatverdächtige: Ursula Herrmann und
az Das Opfer und der Tatverdächtige: Ursula Herrmann und

Die Ermittler lassen nichts unversucht, um Werner M. zu überführen: Mit dem Fall Ursula Herrmann beschäftigt sich daher am Mittwoch auch die ZDF-Sendung in Aktenzeichen XY. Werner M. wird derweil in der U-Haft massiv bedroht.

AUGSBURG Seit 49 Tagen sitzt Werner M. (57) in Augsburg abgesondert von anderen Häftlingen in Untersuchungshaft. Er steht unter Verdacht, vor knapp 27 Jahren die zehnjährige Ursula Herrmann aus Eching entführt und in einer Kiste im Wald vergraben zu haben. Das Mädchen erstickte qualvoll (AZ berichtete). Heute wird der Augsburger Oberstaatsanwalt Matthias Nicolai bei „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ im ZDF ab 20.15 Uhr über die Indizien berichten, die zur Verurteilung von Werner M. führen sollen. Und es wird immer noch ermittelt – um den einstigen Nachbarn der Familie Herrmann und dessen mutmaßliche Mittäter zu überführen, ließ die Augsburger Staatsanwaltschaft sogar einen Toten exhumieren.

Werner M. war bereits wenige Tage, nachdem das tote Kind gefunden worden war, unter Verdacht geraten – am 8.Oktober 1981 gab es einen anonymen Hinweis. Seither ist er als Spur 237 in der heute 15000 Blatt starken Akte vermerkt. Doch der Verdacht konnte nie erhärtet werden – bis vor wenigen Wochen. Nachdem seit 2003 mit neuer Kriminaltechnik an der Kiste und an Gegenständen vom Tatort DNA-Spuren festgestellt werden konnten, nahmen sich die Ermittler die „alten Verdächtigen“ wieder vor. Ende Oktober 2007 statteten sie Werner M. – der mittlerweile in Schleswig-Holstein lebte, wo er einen Skipper-Laden hat – einen Besuch ab. Er gab freiwillig eine Speichelprobe ab, der Vergleich ergab keinen Treffer. Doch bei der Hausdurchsuchung fanden die Ermittler ein altes Tonband der Marke Grundig TK 248.

Dieses Gerät gilt für Reinhard Nemetz, den Leiter der Augsburger Staatsanwaltschaft, als „gewaltiges objektives Indiz“ in einem ganzen „Mosaik“ weiterer belastender Indizien. Ein Gutachter des Landeskriminalamtes (LKA) war im April 2008 zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei dem Gerät wegen technischer Besonderheiten (die hohen Frequenzen sind gedämpft) „wahrscheinlich“ um das Tonband des Erpressers handelt. Der hatte mehrmals bei Familie Herrmann angerufen und nur die Verkehrsfunk-Melodie von Bayern3 vom Band abgespielt. In zwei Erpresserschreiben wurden zwei Millionen Mark Lösegeld gefordert und die Anrufe angekündigt. Werner M. sagt, er habe das Tonband zwei Wochen vor der Hausdurchsuchung für 20Euro auf einem Flohmarkt im Weserbergland gekauft.

Das Tonband ist für die Ermittler nur eines von vielen Indizien: Der Fernseh-Elektriker Werner M. war handwerklich sehr geschickt und hätte die Kiste problemlos bauen können. Er hörte regelmäßig den Polizeifunk ab und war hoch verschuldet. Vor Ursula Herrmanns Entführung am 15. September 1981 soll er sinngemäß gesagt haben, man müsse zwei Millionen Mark auf einmal machen, um alle Sorgen los zu sein. Auch gibt es einen mittlerweile verstorbenen Zeugen, der im Februar 1982 behauptet hatte, er sei von Werner M. aufgefordert worden, im Weingarten (dem Tatort) ein Loch zu graben. Als belastend gilt außerdem, dass ihm seine Frau und Freunde ein falsches Alibi gegeben haben sollen.

Um eine Beteiligung der mutmaßlichen Komplizen nachzuweisen, ließ die Augsburger Staatsanwaltschaft im Februar 2008 sogar das Grab des Mannes öffnen, der zunächst zugegeben hatte, das Loch für die Kiste ausgehoben zu haben, sein Geständnis aber später widerrief. Aus den Knochen des Toten konnte DNA-Material extrahiert werden. Bei einem zweiten (ebenfalls toten) Alibi-Zeugen wurde über weibliche Verwandte ein Abgleich mit DNA vom Tatort gemacht. Doch auch diese Spuren führten ins Leere.

Für Walter Rubach, den Augsburger Anwalt von Werner M., „wurde kein einziger Sachbeweis gefunden, der meinen Mandanten überführen könnte. Und das, obwohl in diesem Fall wirklich das Innerste nach außen gekehrt wurde.“ Bei der Hausdurchsuchung im Oktober 2007 hatten die Ermittler Werner M.s Telefon abgehört und seine Wohnung und sein Auto verwanzt – doch über den Fall Ursula Herrmann wurde bei den M.s nichts Belastendes gesprochen. Anwalt Rubach hat ein Gegengutachten zu dem Tonband erstellen lassen und Haftbeschwerde eingelegt. Er hofft, seinen Mandanten bald frei zu bekommen. Über die Haftbeschwerde muss nun das Augsburger Landgericht entscheiden. Derweil ist die Staatsanwaltschaft Augsburg zuversichtlich, dass sie bis Spätsommer Anklage erheben wird.

Momentan verbringt Werner M. seine Untersuchungshaft auf der Krankenstation der Augsburger Justizvollzugsanstalt. Seine beiden Unterschenkel hatten sich entzündet, er litt unter einer beginnenden Blutvergiftung. Zu seinem Schutz muss der Häftling von Mitgefangenen getrennt werden. Bereits in den ersten Tagen hinter Gittern war er sowohl massiv bedroht als auch zum Suizid aufgefordert worden. Besuch hat der massige Mann mit dem Vollbart noch nicht bekommen. Da seine behinderte Frau Mitbeschuldigte ist, wäre das auch nur unter kompletter Audio-Überwachung möglich.

Nina Job

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