Es trifft vor allem Ältere
MÜNCHEN Auf den ersten Blick gaukelt diese Zahl eine heile Welt vor: Seit 30 Jahren sterben immer weniger Menschen in Bayern an einem Herzinfarkt. Doch das ist nur die eine, die positive Seite.
Die negative: Die Zahl der Herzinfarkt-Behandlungen bleibt insgesamt konstant, ab 55 Jahren steigt sie sogar stark an. In ihrem Gesundheitsreport 2012 geht die DAK Bayern diesem Phänomen auf den Grund. Und findet heraus: Wer sich an seinem Arbeitsplatz nicht verstanden und geschätzt fühlt, hat ein deutlich erhöhtes Infarkt-Risiko.
Wer ist gefährdet? Weniger Nikotin, mehr Bewegung, weniger Bluthochdruck und bessere Diagnose- und Behandlungsmethoden sorgen für den Rückgang der tödlich verlaufenden Infarkte. Gleichzeitig werden im Zuge des demografischen Wandels die Belegschaften immer älter. Und damit steigt die Zahl der arbeitenden Menschen, die zur Risikogruppe zählen.
Welche Faktoren erhöhen das Infarkt-Risiko? Der Chef schimpft nur und lobt nie, die Kollegen sind unfreundlich, der Berg an Arbeit wächst, die Überstunden nehmen zwar überhand, aber die Angst um den Job genauso: Wenn derartige Faktoren zusammenkommen, spricht die Sozialmedizin von einer „Gratifikationskrise”. Dieser sperrige Begriff steht für ein ungleiches Verhältnis von Anstrengung und Anerkennung.
Wie viele Menschen sind von dieser Krise betroffen? Laut Studie, die die DAK in München vorgelegt hat, steckt fast jeder neunte Arbeitnehmer in Bayern wegen des starken psychischen und oft auch körperlichen Drucks im Job in einer Gratifikationskrise.
Was sind die Folgen? Laut DAK ist das Herzinfarkt-Risiko der Betroffenen im Vergleich mit „unbeschwerten” Arbeitnehmern um das Doppelte erhöht. Dazu kommen eine drastisch schlechtere Einschätzung des eigenen Gesundheitszustandes, Stimmungschwankungen, Reizbarkeit, Unruhe, Kopfweh und Schlaflosigkeit.
Welche Berufs- und Altersgruppe ist besonders gefährdet – und welche nicht? Facharbeiter führen das Negativ-Ranking mit 11,2 Prozent an. Ebenfalls über dem Durchschnitt liegen die Arbeiter mit 10,8 Prozent. Zum Vergleich: Selbstständige und Freiberufler sind nur zu 3,9 Prozent betroffen – die sind ihr eigener netter Chef. 50- bis 55-Jährige stecken zu 12,7 Prozent in der Krise – 60- bis 65-Jährige nur zu 3,9 Prozent. Männer und Frauen sind übrigens laut DAK „in etwa gleichem Maß betroffen”.
Welche Bedingungen am Arbeitsplatz erzeugen den meisten Stress? Besonders ungesund leben laut der Studie Mitarbeiter, die ständig sich widersprechende Anweisungen erhalten. Ebenfalls stark genervt sind Menschen, die ihre Arbeit anders erledigen würden als der Chef es verlangt. Zeitdruck, häufige Überstunden und hohe Verantwortung wirken sich ebenfalls negativ aus.
Was sind die Folgen? Die DAK konstatiert in ihrem Gesundheitsreport 2012 eine deutlich gestiegene Zahl von Krankschreibungen aufgrund psychischer Leiden. Landeschef Gottfried Prehofer: „Wenn psychische Erkrankungen weiterhin so zunehmen, steigt auch das Risiko für Herzinfarkte.”
Wie hat sich der Krankenstand im letzten Jahr generell verändert? Er ist laut DAK-Statistik gegenüber 2010 leicht gestiegen (3,1 statt 3,0 Prozent). Das bedeutet: Von 1000 erwerbstätigen DAK-Versicherten waren 2011 im Schnitt pro Tag 31 Arbeitnehmer krank. Im Schnitt dauerte eine Krankschreibung elf Tage.
Was sind die häufigsten Gründe für Krankschreibungen? Muskel-Skelett-System (21,3 Prozent), Atmungssystem (Husten & Schnupfen, 16,1 Prozent), Verletzungen (13,9 Prozent) und psychische Erkrankungen (13,4 Prozent).
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