"Es kracht und rumpelt im Minutentakt": Sehenswürdigkeit im Nationalpark Berchtesgaden eingestürzt

Sie war eines der 100 bedeutendsten Geotope Bayerns – nun ist die Eiskapelle im Nationalpark Berchtesgaden eingestürzt
Kilian Pfeiffer |
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Nur noch Eisbrocken und Geröll: die eingestürzte Eiskapelle unterhalb der Watzmann-Ostwand.
Nur noch Eisbrocken und Geröll: die eingestürzte Eiskapelle unterhalb der Watzmann-Ostwand. © Nationalpark Berchtesgaden
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Die Eiskapelle am Fuße der Watzmann-Ostwand ist verschwunden. Eines der bekanntesten Geotope Bayerns ist eingestürzt. Der Nationalpark Berchtesgaden bestätigte am Dienstag in einer Mitteilung, dass der Kollaps eine Folge des fortschreitenden Klimawandels ist. Seit Jahrzehnten galt die Eiskapelle als einzigartiges Naturphänomen, zugleich aber auch als fragiles und zunehmend gefährliches Gebilde.

Die Eiskapelle von innen.
Die Eiskapelle von innen. © imago

"Ein deutlich sichtbarer Beleg für den Klimawandel", sagt der Chef des Nationalparks

Nationalparkleiter Roland Baier spricht von einem "bedrückenden und schockierenden Verlust". Die Eiskapelle sei nicht nur eine beliebte Sehenswürdigkeit gewesen, sondern auch ein wissenschaftlich wertvolles Objekt. "Der Einsturz ist ein deutlich sichtbarer Beleg dafür, welche Veränderungen der Klimawandel vor Ort mit sich bringt. Dem Verschwinden der Eiskapelle werden in wenigen Jahren auch unsere beiden Gletscher folgen", so Baier.


Tatsächlich hatten Experten schon lange vor einem Einsturz gewarnt. Bereits vor zwei Jahren sagte der Höhlenforscher Andreas Wolf der AZ, dass die Randklüfte und der Eingangsbereich der Eiskapelle immer dünner würden und hochgradig einsturzgefährdet seien.

So kannten Bergfreunde das Natur-Kleinod im Nationalpark Berchtesgaden.
So kannten Bergfreunde das Natur-Kleinod im Nationalpark Berchtesgaden. © IMAGO

Ein Experte riet schon vorher: "Nur aus sicherer Entfernung betrachten!"

Wolf, Mitglied der Bergwacht und Vorsitzender des Verbandes der Deutschen Höhlen- und Karstforscher, begleitet die Vermessungen seit 1994. Er dokumentierte den massiven Rückgang: In Summe verlor die Eiskapelle seit 1953 fast eine Million Kubikmeter Firneis. Allein zwischen 2019 und 2022 halbierte sich ihre Fläche von 37.800 auf 18.900 Quadratmeter.

Wolf erinnerte damals auch an tragische Unfälle: 1984 starben Schüler im Höhleneingang, 2018 kam ein Bergsteiger ums Leben, als ein auskragendes Eisfeld abriss. "Die Randkluft ist einer der gefährlichsten Bereiche. Ohne Vorwarnung können dort große Eis- und Felsmassen abbrechen", sagte er im Gespräch.

Seine Empfehlung war eindeutig: Die Eiskapelle solle man nur aus sicherer Entfernung betrachten. Auch wenn die Entwicklung in den letzten Jahren absehbar war, hat der frühe Zeitpunkt des Einsturzes die Forschenden überrascht, wie Wolf nun in der Mitteilung des Nationalparks bestätigt.

Höhlenforscher Andreas Wolf.
Höhlenforscher Andreas Wolf. © Kilian Pfeiffer

"Wir warnen Wanderer eindringlich vor dem Betreten der Reste der Eiskapelle"


Ob sich das Kleinod künftig in kleinerer Form neu bildet, ist unklar, theoretisch könne es durch Lawinenschnee erneut zur Ausbildung eines Firneisfeldes mit Hohlräumen kommen, sicher sei das aber nicht.

Mit dem Zusammenbruch sind neue Risiken entstanden. Im Eisgraben drohen massive Steinschläge, große Blöcke lösen sich aus den Moränenhängen und rutschen talwärts. "Wir warnen Wanderer eindringlich vor dem Betreten der Reste der Eiskapelle, es herrscht im gesamten Bereich der Eiskapelle akute Steinschlaggefahr. Auch der letzte, noch stehende Eisbogen und die Eiswände am Rand können jederzeit zusammenbrechen. Vor Ort kracht und rumpelt es im Minutentakt", sagt Baier. Wolf ergänzt, dass durch den Verlust der Eismassen der Hang zusätzlich an Stabilität verliert. Betroffen sind auch Zustiege in die Watzmann-Ostwand. Bergsteiger sollen sich unbedingt vorab über die aktuelle Lage informieren.

Die Eiskapelle galt lange als eines der 100 bedeutendsten Geotope Bayerns und war ein beliebtes Fotomotiv. Bereits Alexander von Humboldt besuchte sie 1797. Nun ist sie zum Sinnbild des beschleunigten Klimawandels geworden. "Die Veränderungen hier im Nationalpark machen sichtbar, was auf uns zukommt", sagt Baier.

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