Es knallt unter Eheleuten

Audio von Carbonatix
Nürnberger Inszenierung von Christoph Willibald Glucks „Alceste“. Regisseur Bruno Klimek über seine Regie-Arbeit vor 100 Leuchtstoffröhren.
Wie kommt diese Frau bloß dazu, sich für ihren todgeweihten Mann zu opfern, wo er für sie damit doch auch verloren ist? Was die antike Alceste aus dem Drama des Euripides antreibt, als sie mit Gott Apollo das kuriose Familien-Tauschgeschäft über Leben und Sterben eingeht, will Bruno Klimek in seiner Nürnberger Inszenierung von Christoph Willibald Glucks „Alceste“ erforschen. Der Regisseur, der hier mit Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ und Janaceks „Jenufa“ erfolgreich war, mag das „nicht als Preisgesang der Gattenliebe gelten lassen“. Er findet den von oben „wie eine Versuchsanordnung“ gelenkten Vorgang „eher absurd als heroisch“ und klärt auch gleich die Schuld-Frage: „Götter setzen Menschen so sehr moralisch unter Druck, dass die Vernunft aussetzt!“ Mit Gluck-Spezialist Bruno Weil am Pult und Frances Pappas in der Titelrolle hat die Produktion am Samstag Premiere – als Herzstück der 2. Internationalen Gluck-Opernfestspiele.
Oper statt Schauspiel
Der ehemalige Nürnberger Schauspiel-Jungregisseur Bruno Klimek, inzwischen 50 Jahre alt und seit 2006 Professor für „szenischen Unterricht“ an der Essener Folkwang-Hochschule („Ich habe den Drang, meine Erfahrung weiterzugeben“) hat seinen Pendelverkehr zwischen den Sparten eingestellt. Er hat „keine rechte Lust mehr aufs Schauspiel“, schätzt aber „den abenteuerlichen Pragmatismus der Oper“. Das brachte ihm quer durch die Republik Aufträge für „Falstaff“, „Wozzeck“, „Aida“ und „Ariadne auf Naxos“, lässt ihn im Rahmen seiner akuten Auseinandersetzung mit dem Göttlichen vom Nürnberger Apollo zum Koblenzer „Jesus Christ Superstar“ wechseln.
Es ist Klimeks erste Gluck-Inszenierung, und er hatte durchaus „Vorbehalte gegen dieses sanfte Dahindämmern, das uns als Gluck-typisch verkauft wird“. Da konnte ihm Pult-Partner Bruno Weil weiterhelfen: „Schon beim ersten Telefongespräch, wo er mir zwei Stunden mit einer Hand am Klavier vorspielte, wie er sich das vorstellt, habe ich plötzlich richtige Theatermusik mit Bodenhaftung gehört“.
Die passende Voraussetzung, um „Eheleute aufeinanderknallen zu lassen“ (Klimek: „Muss man sich vorstellen: Ein Macho, der zu seiner für ihn in den Tod gehenden Frau sagt, dass sie nicht das Recht hat, über ihr Leben zu entscheiden“) und in den göttlichen Überbau zu leuchten. An eine zeitnahe Umsetzung der Figuren hat der Regisseur nicht gedacht: „Es gibt keine Alceste am Staubsauger, alles bleibt Mythos und Metapher und lädt zu Assoziationen ein.“
Alles sichtbar
Nüchtern im Gefühl und scharf im Blick wollen Weil und Klimek Musik wie Szene. Ein „großer, leerer, knallhell weißer Raum aus hundert Leuchtstoffröhren“, der direkt bis zu den Füßen des Publikums verlängert ist, setzt alle Beteiligten den Blicken aus: „Der Zuschauer kann ganz genau hinschauen – da versteckt sich keiner!“ Was er dann sieht, mag ihm das Inszenierungs-Team nicht vorschreiben. Beim lichtflutenden Gott etwa, der so willkürlich mit den Menschen umspringt, sei „vom Ministerpräsidenten bis zum Tyrannen alles drin“.
Angebote vom künftigen Nürnberger Intendanten Peter Theiler hat Klimek bislang übrigens nicht. Da mag auch der weiter amtierende Philharmoniker-Chefdirigent Christof Prick seine Hand im Spiel haben. Mit ihm hätte Klimek ursprünglich „Lohengrin“ machen sollen – weil der Maestro Vorbehalte hatte, wurde nun „Alceste“ draus. Dieter Stoll
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