"Er war nie abgehoben" - Waging trauert um die Daxenbergers

Der Krebs hat sie beide besiegt. Das grausame Schicksal der Familie Daxenberger bewegt ganz Bayern. Am Mittwoch fand in Waging die Trauerfeier für Gertraud Daxenberger statt. Die Waginger sind erschüttert und fühlen mit den drei Buben. Nächste Woche wird das Ehepaar gemeinsam beigesetzt
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Gregor Feindt Illustration

WAGING AM SEE - Der Krebs hat sie beide besiegt. Das grausame Schicksal der Familie Daxenberger bewegt ganz Bayern. Am Mittwoch fand in Waging die Trauerfeier für Gertraud Daxenberger statt. Die Waginger sind erschüttert und fühlen mit den drei Buben. Nächste Woche wird das Ehepaar gemeinsam beigesetzt

Die Kirche ist voll. Es scheint, als sei wirklich die ganze Gemeinde gekommen, um ihr Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen. Der ein oder andere hat noch einmal innegehalten und einen Blick auf die beiden Bekanntmachungen am Eingang geworfen.

Die beiden schlichten Zettel, auf denen das erschütternde Schicksal der Familie Daxenberger abzulesen ist. Vorne, an der schweren Holztür der Kirche in Waging am See, steht der Termin für die Trauerfeier von Gertraud Daxenberger. 49 Jahre ist sie alt geworden. Freunde, Familie und Bekannte sind gestern zusammengekommen und haben sich auf dem Friedhof von ihr verabschiedet. Drei Schritte dahinter, an der zweiten Kirchenpforte dann noch eine Notiz – diesmal mit dem Sterbedatum von Sepp Daxenberger. Nur wenige Stunden vor der Trauerfeier für seine Gertraud hat auch der „Daxei“ keine Kraft mehr gehabt. Er wurde 48 Jahre alt.

„Daxei“ – so haben sie ihn in Waging am See genannt. Eigentlich wollte er am Dienstagabend noch zum Sterberosenkranz für seine Frau kommen. „Aber dazu war er gar nicht mehr fähig“, sagt Diakon Alois Fellner. Er kannte Sepp Daxenberger als tief gläubigen Menschen.

Er war ein Vorzeige-Politiker. Der erste grüne Bürgermeister Bayerns. Einer, den alle aufrecht fanden. Doch für die Waginger war er noch viel mehr als das: Er war einer von ihnen. „Er war absolut beliebt“, sagt Herbert Häusl, sein Nachfolger im Amt als Bürgermeister von Waging. „Ein Unterhaltungsmensch.“ Jemand, der gern in Gesellschaft war. Und in dessen Gesellschaft man gern war.

Bei der Freiwilligen Feuerwehr hat er sich früher engagiert und im Fußballverein, als Torwart. „Die Katze von Waging“ haben sie ihn genannt – weil er sich so gestreckt hat nach dem Ball. Im Trachtenverein war der Daxei auch, als Schnalzer – und nicht als schlechter, wie man sich erzählt. Doch viel reden mögen die Waginger am Tag seines Todes nicht.

Zu nahe geht ihnen das Leid der Familie. „Es ist unfassbar. Man fragt sich immer nur warum“, sagt eine Frau in einer Konditorei. „Man findet keine Worte.“ In Gedanken sind die meisten bei den drei zwölf, 17 und 20 Jahre alten Buben, die nun innerhalb von drei Tagen Vollwaisen geworden sind. Was wird nun aus ihnen? Wahrscheinlich, so heißt es im Ort, werden sie auf dem Hof bei den Großeltern bleiben – Sepp Daxenbergers Eltern. Die Familie hält fest zusammen, ganz besonders in diesen schweren Zeiten. An die Buben, den Felix, den Kilian und Benedikt, wandte sich auch der Diakon Alois Fellner beim gestrigen Gottesdienst. „Warum, wieso? Eine Antwort, warum eure Eltern so früh sterben mussten, kann ich euch nicht geben“, sagt er. „Das liegt in Gottes Hand.“

Dazu passt auch der Spruch auf dem Aushang, der das Requiem für Sepp Daxenberger ankündigt – Samstagfrüh wollen die Waginger Abschied von ihm nehmen: „Manchmal kennen wir Gottes Willen, manchmal kennen wir nichts. Erleuchte uns Herr, wenn die Fragen kommen.“ Dass es zum Schluss auch bei ihm so schnell gehen würde, damit hatte kaum einer gerechnet.

Fast sieben Jahre hat er gegen seine schwere Krankheit angekämpft. „Wenn sich einer zehn oder 15 Mal wieder aufrappelt, dann traut man ihm das auch noch einmal zu“, sagt Bürgermeister Häusl. Sein Beileidschreiben an Sepp Daxenberger hatte er schon fertig. Nach dem Tod von Gertraud wollte er ihm darin viel Kraft wünschen. Er hat den Brief nicht mehr abschicken können.

Herbert Häusl hat mit seinem Amtsvorgänger oft über dessen Krankheit geredet hat. Und über die Schmerzen. Der Daxei hat trotzdem nicht aufgegeben – auch dann nicht, als seine Frau an Krebs erkrankte. „Heuer noch hat er seine Wiesen selbst gemäht“, erzählt Häusl. Es gab sogar Pläne, den Stall auf dem Hof im Ortsteil Nirnharting umzubauen. Für Häusl, der im Rathaus jahrelang eng mit ihm zusammengearbeitet hat, ist klar: Im Innersten ist Sepp Daxenberger immer ein Waginger Bauer geblieben. Obwohl er in der Politik Karriere machte.

„Er war nie abgehoben“, sagt Rosa Dirnberger (62), die ihm in der Konditorei Oswald oft einen Milchkaffee brachte. „Er hat einfach dazugehört.“

Am nächsten Samstag findet das Requiem für Sepp Daxenberger statt. Danach werden sich die Waginger auf dem Friedhof von ihm verabschieden. In der kommenden Woche soll seine Urne dann gemeinsam mit der seiner Frau beigesetzt werden, im engsten Familienkreis.

Julia Lenders

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