Endspiel-Fieber im Opernhaus

Ab Ende Juni bis Mitte Juli steht das Opernhaus unter leisem Servus-Verdacht: Jedem seine Gala. Nicht nur der scheidenden Tanztheater-Chefin Daniela Kurz...
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Kupfer-Festspiele: Der Sänger Jochen Kupfer (hier als „Don Diovanni“ mit Ute Selbig) singt im Juli drei Mozart-Opern – und zuvor die Premiere als „Eugen Onegin“. Foto: Schillinger
az Kupfer-Festspiele: Der Sänger Jochen Kupfer (hier als „Don Diovanni“ mit Ute Selbig) singt im Juli drei Mozart-Opern – und zuvor die Premiere als „Eugen Onegin“. Foto: Schillinger

NÜRNBERG - Ab Ende Juni bis Mitte Juli steht das Opernhaus unter leisem Servus-Verdacht: Jedem seine Gala. Nicht nur der scheidenden Tanztheater-Chefin Daniela Kurz...

Die Abschiedsstimmung am Nürnberger Staatstheater ist institutionalisiert. Sie greift rasant um sich und hat unabsehbare Folgen, denn wie wir von einem andernorts singenden Künstler wissen: „Abschied ist ein scharfes Schwert“. Kommt aber ganz drauf an, wie es geschwungen wird. Ab Ende Juni bis Mitte Juli steht das Opernhaus unter leisem Servus-Verdacht: Jedem seine Gala. Nicht nur die scheidende Tanztheater-Chefin Daniela Kurz kitzelt mit ihrem bilanzierenden „KURZ-Schluss“ manche Seufzer heraus (doppelt im Spielplan am 3. und 5. Juli), auch Intendant Wulf Konold wird bei einem groß besetzten Event mit Freunden und Mitarbeitern (19.7.) in Eigentherapie ein illustriertes Schlusswort über die Arbeit als Operndirektor am allzeit glühenden Krisenherd sprechen.

Es gibt sogar – und das hat besonderen Reiz – den Abschied einer kompletten Aufführung, die derzeit noch gar nicht existiert, aber im ersten Spielplan des neuen Intendanten Peter Theiler keinen Platz bekam. Peter Tschaikowskys „Eugen Onegin“, den Konold selbstkritisch mit Hinweis auf die Vernachlässigung der russischen Klassiker während des letzten Jahrzehnts ansetzte, bringt es nach der Premiere am 28. Juni grade mal auf fünf Vorstellungen. Wie ja auch der „Lohengrin“ nach nur sechs Aufführungen am 13.7. unnahbar unsren Schritten im fernen Planungs-Irgendwo verschwindet.

Man wird in den letzten Wochen der Ära von Wulf Konold, dessen Ausstieg zwei Drittel des Sänger-Ensembles und die komplette Tanz-Compagnie mitreißt, zwangsläufig auf die nach beiden Seiten ausschlagende Erfolgskurve gestoßen. In der Selbstporträt-Gala, wo nochmal viele der dann nicht mehr engagierten Sänger ihre Qualität demonstrieren können (u.a. auch die Solisten, die Kunstminister Thomas Goppel bei der Verleihung der „Kammersänger“-Titel für unverzichtbar erklärte, obwohl sie schon den Blauen Brief hatten), versammelt der Prinzipal eine Dirigenten-Stafette um sich. Von Busonis „Doktor Faust“ bis Glucks „Alceste“ soll die abendfüllende Rückschau reichen (ein Ausschnitt aus „Die Großherzogin von Gerolstein“ wäre eine echte Sensation), am Pult tauchen neben „Chef“ Christof Prick und seinen Kapellmeistern auch Zeugen der Vergangenheit auf. Wolfgang Gayler etwa, der hier vier Opernhaus-Direktionen überstanden hatte, ehe er aus dem Ruhestand heraus eine „Ring“-Vorstellung rettete. Mit der Überraschungs-Rückkehr von Ex-GMD Philippe Auguin, den Konold nach Nürnberg holte um sich dann bald mit ihm zu zerstreiten, wird es offenbar nichts. Der Maestro, der noch in Nürnberg lebt und grade zwischen Wien, Berlin und München pendelt, verlegt das Wiedersehen mit seinen Fans auf den 9. August bei den Symphonikern im Luitpoldhain.

Während Nachfolger Prick besonders stolz ist auf die „an anderen Theatern kaum mögliche“ Bündelung der drei Mozart-Opern nach Lorenzo da Ponte innerhalb einer Woche (20., 22., 24. Juli), ist „La Traviata“ als langlebigste Produktion der Konold-Intendanz mit dem 23. Juli am Ende angekommen. Wie am ersten Tag vor elf Jahren singt Anne Lünenbürger. Die eben zur Kammersängerin ernannte Sopranistin hat zuvor als Tatjana im gefühlvollen „Eugen Onegin“ ihre letzte Nürnberger Premiere. Für deren sechs abgezählten Termine der Neuinszenierung von Helen Malkowsky sind in der Titelrolle gleich zwei populäre Sänger aus dem Ensemble vorgesehen: Jochen Kupfer und Song-Hu Liu. Der weiterhin in Nürnberg engagierte sächsische Bariton bekommt den Zuschlag für die Erstaufführung, sein scheidender Kollege aus China rückt nach, wenn er im Juli in sieben Vorstellungen zu inoffiziellen Kupfer-Festspielen durch den geballten Mozart schreitet.

Peter Theiler, Intendant ab September, will aus dem Fundus nur vier Titel übernehmen, hat es aber für möglich erklärt, „dass wir nachdisponieren“. Das bezog er auf „Lohengrin“, damit die Wagnerianer bis zum „Tannhäuser“ im Herbst 2009 nicht allzu schnell unter Entzugserscheinungen leiden. Ob es eine Rückkehr von „Eugen Onegin“ übernächstes Jahr geben wird, war nicht zu klären. Für den sicheren Einblick in die Rätsel von russischer Seele und deutscher Spielplangestaltung empfiehlt sich ein Spontanbesuch bis 16. Juli. Was man hat, das hat man. Dieter Stoll

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