Emotionen auf den reduzierten Punkt gebracht

Abstand von Christkindlesmarkt- und Shopping-Wahnsinn? Versuchen Sie es mal mit Nürnbergs Galerien. Von hübschen Ideen bis zur großen Kunst ist alles dabei. Ein Rundgang.
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Reduzierte Farben, klare Konturen: Christian Fauls Bilder atmen asiatische Luftigkeit und verwandeln „lichtgetrunken“ die Galerie Oechsner.
Berny Meyer Reduzierte Farben, klare Konturen: Christian Fauls Bilder atmen asiatische Luftigkeit und verwandeln „lichtgetrunken“ die Galerie Oechsner.

NÜRNBERG - Abstand von Christkindlesmarkt- und Shopping-Wahnsinn? Versuchen Sie es mal mit Nürnbergs Galerien. Von hübschen Ideen bis zur großen Kunst ist alles dabei. Ein Rundgang.

In der Galerie Albrecht-Dürer-Straße 1 hat der Nürnberger Turbo-Maler Walter Bauer den „Tauben & Türmen“ seiner Stadt ein vielteiliges Denkmal gesetzt. Farbenfroh kauern die unbeliebten Vögel am unteren Bildrand der extremen Hochformate, recken sich energisch die Türme in den Himmel. Bauers pastoser Öl-Strich erfindet Charakter-Tiere, aber der Versuch, dem Unternehmen mit Ingo Cesaros Haikus einen tieferen Sinn zu verleihen, schlägt fehl.

Mit Unsinns-„Szenerien“ kitzelt der fränkischen Stahlbildhauer Johannes L.M. Koch den Spieltrieb aus den Kunst-Betrachtern, die beim Drehen und Hebeln selbst zum Akteur werden. Im Schaufenster der Galerie Röver zeigt ein Liebesbarometer per Knopfdruck den Gefühlsstand des Benutzers an. Drinnen schnappt ein Hund nach dem „Schwanz“ des Herrchens statt nach der hochgehaltenen Wurst, bringt eine barbusige Maus einen Mann dazu, seinen Bauch einzuziehen. Simpel ist die Symbolik, schlicht der Stil, aber das interaktive Schaukastentheater hat seinen Reiz. Dazwischen stehen Messing-Modelle von Kochs Balance-Akten, die im Garten auch im Stahlröhren-Großformat ihre Glieder equilibristisch in die Luft recken. Emotionen sind hier auf einen reduzierten Punkt gebracht.

In einer ganz anderen Liga spielen die Galerien Sima und Oechsner. Was der in Berlin lebende Franzose Damien Deroubaix mit Dürer anstellt, ist weit radikaler als alles, was derzeit in KuKuQs Künstlerhaus des Meisters Skizze feiert. In der Galerie Sima hängen sechs großformatige Holzschnitte, die sich virtuos an Dürer abarbeiten. Zum Beispiel am Kupferstich „Nemesis (Das große Glück)“, in dem Fortuna und Nemesis, die griechische Göttin der Vergeltung, zu einer Person werden.

Von dieser Ambivalenz ist in Deroubaix’ „Das große Glück“ nur noch die Fratze der Vergeltung übrig geblieben, eine verwesende Mischung aus Adler, vielbusiger Göttin und Condoleeza Rice. Sicher lässt sich das als etwas wohlfeile Amerikaschelte lesen. Aber ebenso als Nachdenken über den Zustand der Welt. Wie auch die Albtraumpanoramen voller Tod und Verwesung, Spinnen, Hakenkreuzen, Stahlhelmen, die Deroubaix in riesigen sowie handlichen Aquarellen enfaltet. Der Schlaf der Vernunft gebiert gewaltige Geschäfts- und Geld-Ungeheuer. Diese Deutlichkeit aber wird durch Deroubaix’ Technik und seinen beherzten Griff in den Symbolfundus gekonnt abgefedert.

Über eine perfektionierte Handschrift verfügt auch Christian Faul, der die Oechsner Galerie derzeit mit „lichtgetrunken“ in einen warmen Wintergarten verwandelt. Zarte Blüten von Orchideen oder Goldregen ragen auf leicht mattierten, sandgestrahlten Acrylglaskästen plastisch in die Bildräume. Faul, der Richtung Berlin exilierte Fürther, setzt dem Freiraum der Bilder Perlglanzlichter auf und schafft mit Dyp- und Tryptichen sanfte Spannung.

Einer allgemeinen Bilderflut begegnet Faul mit der Konzentration auf ein Motiv je Tafel. Mit einer klaren Hängung, buttermilchmattierten Fenstern und einem Podest zum Niederlassen präsentiert sich die Oechsner-Galerie als Ort der asiatisch inspirierten, kontemplativen Stille, die einen wie geimpft gegen Adventsstress und schlechtes Wetter entlässt. Georg Kasch

Galerie Albrecht-Dürer-Str. 1: bis Februar, Fr 14-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr. Galerie Röver (Großweidmühlenstr. 19): bis 11. Januar, Sa/So 14-18 Uhr. Galerie Sima (Hochstr. 33): bis 24. Januar (exkl. 24.12.-6.1.), Mi-Fr 17-19 Uhr. Oechsner Galerie (Gustav-Adolf-Str. 33): bis 24. Januar (exkl. 24.12. bis 6.1.), Mi-Fr 14-20 Uhr, Sa 14-18 Uhr.

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