Eltern völlig verzweifelt: Ihr Sohn starb im Knast!
Ermittlungen gegen Arzt, Sanitäter und zwei Wachtmeister fast abgeschlossen. Der Staatsanwalt spricht von fahrlässiger Tötung.
NÜRNBERG David (24) musste sterben, weil der Gefängnisarzt zu sorglos und wohl auch zu bequem war... Zu diesem zentralen Ergebnis kam jetzt die Staatsanwaltschaft, die den Tod des jungen Mannes im Nürnberger Knast untersucht. Das Verfahren wegen fahrlässiger Tötung und unterlassener Hilfeleistung steht vor dem Abschluss!
In der kleinen Wohnung in der Nürnberger Innenstadt ist die Beklemmung trotz der Herzlichkeit von Valentin und Natascha S. förmlich spürbar. Ausgelöst wird dieses Gefühl von dem Tisch in der Ecke, auf dem mehrere Vasen mit frischen Blumen und eine brennende Kerze stehen. Dahinter an der Wand hängt ein mit Trauerflor versehenes Bild, das den ums Leben gekommenen Sohn des Ehepaares zeigt.
Es wird noch lange dauern, bis die Eltern über Davids Verlust hinweggekommen sind. Er saß wegen angeblicher Beteiligung an einem Raub in U-Haft. Momentan wollen sie nur eines: Recht, vor allem aber Gerechtigkeit. „Alle, die für den Tod meines Sohnes verantwortlich sind, müssen selbst ins Gefängnis“, sagt Vater Valentin. Doch soweit ist es noch nicht. Erst wenn die Anwälte der Beschuldigten eine Stellungnahme abgegeben haben, wird entschieden, ob Anklage erhoben wird – oder ob einzelne Beteiligte mit einem Strafbefehl davonkommen. Rechtsanwalt Bernd Ophoff, der Davids Eltern vertritt, ist der Ansicht, dass sogar von Totschlag gesprochen werden kann!
Zwischen der ersten Alarmierung und dem Eintreffen des Notarztes lag eine geschlagene Stunde
Im Mittelpunkt des skandalträchtigen Falls steht Gefängnisarzt Dr. P. Er hielt sich den Ermittlungen zufolge in der fraglichen Juli-Nacht daheim auf, hatte jedoch Bereitschaftsdienst. Als ihn ein Sanitäter nachts anklingelte und davon berichtete, dass sich ein Häftling mit einer Rasierklinge die Pulsadern aufgeschnitten habe, hielt er es nicht für nötig, selbst medizinische Hilfe zu leisten. Stattdessen beauftragte er den Sanitäter, die stark blutende Wunde mit einem Tacker zu schließen.
Die Lage wurde richtig dramatisch, als dieses Vorhaben misslang. Der Sanitäter meldete sich telefonisch erneut bei Dr. P. Und wieder blieb der Arzt untätig. Schließlich alarmierte ein Wachtmeister über Notruf die normale BRK-Leitstelle. Doch der acht Minuten später eintreffende Notarzt konnte nur noch Davids Tod feststellen. Für die Eltern steht jetzt fest: „Unser Sohn hätte nicht sterben müssen.“
Rechtsanwalt Ophoff: „Aus den Akten geht eindeutig hervor, dass zwischen der ersten Alarmierung und dem Eintreffen des Notarztes eine geschlagene Stunde lag.“ Außer gegen Dr. P. und den Sanitäter wird noch gegen zwei Wachtmeister ermittelt.
Helmut Reister